Robert Klatt
Hätte es seit 1970 keine Kriege gegeben, wäre die Weltwirtschaft heute um zwölf Prozent größer. Einigen Ländern haben durch extraterritoriale Kriege aber auch stark profitiert.
Berlin (Deutschland). Kriege führen zu Todesfällen, unterbrochenen Lieferketten und Verlusten in der Industrie und Landwirtschaft. Auf den ersten Blick ist es somit offensichtlich, dass Kriege die Wirtschaftsleistung reduzieren. Es gibt aber auch positive wirtschaftliche Aspekte wie die hohen Rüstungsausgaben sowie der sogenannte Phönix-Effekt, der manchmal, nachdem Ende eines Krieges dazu führt, dass die Wirtschaft der betroffenen Länder deutlich wächst.
Wissenschaftler des International Security and Development Center (ISDC) haben nun untersucht, wie die wirtschaftliche Bilanz solcher Konflikte global aufgestellt ist. Sie analysierten dazu laut ihrer Publikation im Journal of Peace Research die Daten zu Konflikten und zur Wirtschaftsentwicklung von 190 Ländern aus den letzten 50 Jahren. Die Studie unterscheidet zwischen extraterritorialen Kriegseinsätzen, Bürgerkriegen und Kriegen im eigenen Land.
Laut der Analyse schwächen lokale Konflikte nicht nur die Wirtschaft der betroffenen Länder, sondern auch die Weltwirtschaft. „Hätte es seit 1970 keine Kriege mehr in der Welt gegeben, wäre das globale Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2014 um zwölf Prozent größer gewesen“, erklärt Tilman Brück. Die negativen wirtschaftlichen Folgen sind demnach höher als die positiven Nebeneffekte von bewaffneten Konflikten.
Im Vergleich mit anderen Problemen wie etwa Zivilisationskrankheiten haben Kriege die Weltwirtschaft deutlich stärker belastet. Ihre negativen Folgen liegen fast auf dem Niveau der Bodendegradation und des Klimawandels und deutlich über dem Alkoholkonsum und Malaria.
Die wirtschaftlichen Folgen der Kriege sind global stark unterschiedlich verteilt. „Asien hat am meisten unter den wirtschaftlichen Folgen von Konflikten gelitten, während die reichen Regionen in Europa, Nordamerika und Ozeanien von ihrer Beteiligung an Kriegen eher profitiert haben“, erklärt Brück. Am stärksten profitiert hat von Kriegen die Wirtschaft in Nordamerika. Hätte es seit 1970 keine bewaffneten Konflikte gegeben, wäre die Wirtschaftsleistung dort um 0,9 Billionen US-Dollar geringer.
Dies liegt hauptsächlich an Kriegen außerhalb des eigenen Landes, die die U.S.A. geführt haben. Durch hohe Militärausgaben kurbeln diese das lokale Wirtschaftswachstum an. Die Wirtschaft einiger Länder profitiert demnach durch heftige extraterritoriale Kriege, während nur schwelenden Konflikte kaum Vorteile für die Waffenindustrie und andere Wirtschaftszeige bringen.
Außerdem zeigen die Daten, dass Bürgerkrieg sich am schwerwiegendsten auf die Wirtschaft eines Landes auswirken. Auch ausländische Akteure profitieren in diesem Fall etwa durch Waffenlieferung nicht genug, um die global gesehen die wirtschaftlichen Verluste auszugleichen. Im Mittel sinkt das Bruttoinlandsprodukt bei einem Bürgerkrieg pro Jahr um 0,9 Prozent.
„Die vom Konflikt gerissene Lücke im Bruttoinlandsprodukt bleibt bei den meisten betroffenen Ländern auch hinterher, vor allem, wenn es einen Bürgerkrieg gab“, erklärt Brück. Im Durchschnitt braucht die Wirtschaft der Länder für ihre Erholung nach Kriegsende vier Jahre.
Die Studie zeigt somit laut ihren Autoren, dass die Effekte von Kriegen auf die Weltwirtschaft bisher unterschätzt wurden. „„Wir sind der Ansicht, dass diese Hemmnisse für das wirtschaftliche Wachstum bisher zu wenig berücksichtigt und buchstäblich unterschätzt wurden – sowohl von Ökonomen wie von Politikwissenschaftlern. Die globale Wirtschaftsleistung kann auf vielfache Weise stimuliert werden. Frieden zu schaffen ist ganz klar eine davon“, konstatiert Brück.
Journal of Peace Research, doi: 10.1177/00223433211046823