Robert Klatt
In Deutschland ist der Strom für ein Elektroauto an öffentlichen Ladesäulen erstmals teurer als das Benzin für ein ähnliches Auto. Ein sogenanntes Durchleitungsmodell könnte den Wettbewerb zwischen den Stromproduzenten erhöhen und damit den Ladestrom günstiger machen.
Hamburg (Deutschland). In Deutschland war das Laden eines Elektroautos an einer öffentlichen Ladesäule bislang günstiger als das Tanken eines vergleichbaren Verbrenners. Laut dem Ladesäulencheck 2024 des Unternehmens Lichtblick hat sich die Kostensituation nun erstmals gewandelt. An öffentlichen Ladepunkten kostet eine Kilowattstunde (kWh) Strom demnach aktuell 55 Cent (AC) und 66 Cent (DC). Geht man von einem Stromverbrauch von 20 kWh auf 100 Kilometer aus, kosten diese somit 11,10 Euro (AC) bzw. 13,11 Euro (DC).
Ein Auto mit Benzinmotor, das einen Verbrauch von sechs Liter auf 100 Kilometer hat, verursacht hingegen Treibstoffkosten in Höhe von 10,38 Euro. Wie Markus Adam, Chefjurist von LichtBlick, erklärt, ist klimaschädliches Tanken somit günstiger als die Nutzung öffentlicher Ladestationen für Elektroautos.
„Die Preise an den Tank- und Ladesäulen sorgen bei Autofahrer*innen für Fehlanreize und fördern damit klimaschädliches Verhalten. Die Entwicklung ist fatal. Für die Verkehrswende ist der breite Umstieg von Verbrenner- auf E-Autos unerlässlich, ebenso wie verbraucher*innenfreundliche Preise an öffentlichen Ladesäulen.“
Die durchschnittlichen Preise an den öffentlichen Ladesäulen sind im letzten Jahr im Mittel um 3 ct/kWh (AC) bzw. 4 ct/kWh (DC) gestiegen, obwohl die Strompreise der privaten Haushalte in diesem Zeitraum gesunken sind.
Laut den Autoren des Ladesäulencheck 2024 liegt dies primär an der Monopolbildung bei öffentlichen Ladesäulen. Die lokalen Monopolisten sind in der Regel die Energieversorger der Region, die oft eigene Stromnetze betreiben oder enge Geschäftsbeziehungen zum lokalen Stromnetzbetreiber besitzen. In ihren jeweiligen Regionen haben die lokalen Monopolisten im Mittel einen Marktanteil von 80 Prozent. Ein Monopolist besitzt in seiner Region nahezu den kompletten Markt (93 %).
Die hohe Marktmacht der lokalen Monopolisten führt laut Lichtblick dazu, dass die Kunden anderer Unternehmen diskriminiert werden. Diese müssen an den öffentlichen Ladepunkten bis zu 89 Prozent mehr bezahlen, was dazu führt, dass die Monopolisten die Ladebedingungen und -preise nahezu frei bestimmen können und keinerlei Wettbewerb entsteht.
„Die Monopole im Normalladesäulenmarkt werden sich nicht von allein auflösen, der Markt benötigt dringend eine Reform. Darum schlagen wir bereits seit Jahren das Durchleitungsmodell vor. Die Folgen einer solchen Reform würden sich positiv auf die Preise für E-Mobilist*innen auswirken. Entsprechende Entwicklungen gab es etwa auch im Zuge der Liberalisierung der Bereiche Haushaltsstrom und Telekommunikation.“
Das von Lichtblick vorgeschlagene Modell sieht vor, dass Stromproduzenten an ihren Strom an öffentliche Ladesäulen durchleiten können, um nicht mehr von den Konditionen der Ladesäulenbetreiber abhängig zu sein. Die Unternehmen würden lediglich ein faires Nutzungsentgelt für ihre Ladesäulen erhalten, was zu mehr Wettbewerb und damit niedrigeren Ladestrompreisen führen würde.