Robert Klatt
Die Lebensarbeitszeit ist in Deutschland überdurchschnittlich niedrig. Ökonomen fordern deshalb eine Erhöhung des Renteneintrittsalters und Anreize für ein freiwilliges Weiterarbeiten nach Erreichen des Rentenalters.
München (Deutschland). In Deutschland ist ein Großteil der Bevölkerung der Ansicht, deutlich mehr zu arbeiten als Menschen in anderen Ländern der Europäischen Union (EU). Eine Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Technischen Universität Braunschweig zeigte kürzlich sogar, dass knapp zehn Prozent der Erwerbstätigen ein suchthaftes Arbeitsverhalten haben.
Forscher der Roman Herzog Institut (RHI) haben nun untersucht, wie hoch die Lebensarbeitszeit in den EU-Ländern im Mittel tatsächlich ist. Der Grund der Studie, die die Denkfabrik der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) durchgeführt hat, waren Diskussionen um die Erhöhung des Rentenalters, den Fachkräftemangel und die Viertagewoche.
Als Basis dienten Daten der Statistikbehörde Eurostat und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die Untersuchung berücksichtigte ebenfalls Informationen von Ländern, die nicht Mitglieder der EU sind, darunter Großbritannien und Island.
Laut der Studie arbeiten Menschen in den EU-Staaten durchschnittlich 57.342 Stunden in ihrem Leben. Am höchsten ist die Lebensarbeitszeit mit 71.331 Stunden in Estland. In Deutschland hingegen liegt die Lebensarbeitszeit bei nur 52.662 Stunden. Lediglich in Luxemburg ist die Lebensarbeitszeit innerhalb der EU noch geringer.
In Europa gibt es deutliche Unterschiede bei der jährlichen und Lebensarbeitszeit. Betrachtet man lediglich die Jahre, in denen ein Mensch einer Arbeit nachgeht, befindet sich Deutschland mit 39,3 Jahren im oberen Drittel. Das EU-Mittel liegt bei 36,5 Jahren. Am meisten Jahre im Beruf sind Menschen in Island (45,4 Jahre) am wenigen in Rumänien (31,5 Jahre).
Im Gegensatz dazu weist die Studie darauf hin, dass die durchschnittliche jährliche Arbeitszeit in Deutschland mit etwa 1.340 Stunden recht gering ist, was wiederum die niedrige Einschätzung der gesamten Arbeitsstunden über ein gesamtes Berufsleben hinweg begründet.
Angesichts der Herausforderungen durch den Fachkräftemangel und der finanziellen Beanspruchung der Rentenversicherungssysteme sind die Autoren der Ansicht, dass das Renteneintrittsalters weiter erhöht werden sollte. Zusätzlich dazu raten sie der Bundesregierung, verstärkt Anreize für ein freiwilliges Weiterarbeiten nach Erreichen des Rentenalters zu schaffen.
Die Auftraggeber der Studie um den vbw-Präsident Randolf Rodenstock verweisen darauf, dass in mehreren Ländern, mit hohen Lebensarbeitszeiten, nach Umfragen auch die Lebenszufriedenheit hoch ist.
„Länger und mehr arbeiten muss nicht zu einer schlechteren Work-Life-Balance und geringerer Lebenszufriedenheit führen. Der Wunsch vieler Menschen, weniger zu arbeiten und früher in Rente zu gehen, passt nicht in die Zeit des demografischen Wandels.“