Gesündere Ernährung

Mehrwertsteuerreform könnte in Europa 170.000 Menschenleben pro Jahr retten

 Robert Klatt

Mehrwertsteuer beeinflusst Ernährung )kcotS ebodAaylumaa(Foto: © 

Eine Mehrwertsteuerreform bei Lebensmitteln könnte den Konsum von Milch- und Fleischprodukten deutlich reduzieren und den Konsum von Obst und Gemüse erhöhen. Die gesündere Ernährung würde in Europa etwa 170.000 Menschenleben pro Jahr retten und große ökologische und ökonomische Vorteile bringen.

Kopenhagen (Dänemark). In den vergangenen Jahren haben mehrere Länder Sondersteuern auf ungesunde Lebensmittel eingeführt, darunter etwa eine Zuckersteuer in Großbritannien. Eine Studie der University of Cambridge hat kürzlich gezeigt, dass diese Steuer, die auf Getränke mit mehr als fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter anfällt, den Konsum von Softdrinks bei Kindern halbiert hat.

Forscher der Universität Kopenhagen haben nun analysiert, wie Anpassungen der Mehrwertsteuer (MwSt.) in Europa sich auf die Ernährung und die Gesundheit der Menschen auswirken würden. Laut den Ergebnissen würden höhere Steuersätze auf Fleisch- und Milchprodukte und eine Reduzierung oder Abschaffung der MwSt. auf Obst und Gemüse in Europa rund 170.000 Menschenleben jährlich retten, große ökonomische Vorteile bringen und den Klimafußabdruck der Nahrungsmittelindustrie reduzieren.

„Wenn europäische Länder die Mehrwertsteuer auf Fleisch und Milchprodukte erhöhen und gleichzeitig die Steuer auf Obst und Gemüse senken, könnte das die Ernährungsgewohnheiten der Verbraucher verändern und jährlich rund 170.000 Todesfälle verhindern. Gleichzeitig würde sich der ökologische Fußabdruck des Lebensmittelsektors um durchschnittlich 5 bis 6 % verringern.“

Reduzierte Nachfrage nach Milch- und Fleischprodukten

Laut der Publikation im Fachmagazin Nature Food haben die Forscher analysiert, welche Auswirkungen eine Mehrwertsteuererhöhung bei Milch- und Fleischprodukten auf das jeweils höchste nationale Steuerniveau hätte und wie eine Reduzierung der Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse wirken würde.

Eine solche Mehrwertsteuerreform würden die Nachfrage nach Fleisch- und Milchprodukten im Durchschnitt im Mittel um neun Prozent reduzieren und die Nachfrage nach Obst und Gemüse um acht Prozent erhöhen. Am stärksten würde der Fleischkonsum in Großbritannien, Belgien und Polen sinken und der Obst- und Gemüsekonsum in Dänemark und Estland zunehmen.

Gesündere Ernährung durch Mehrwertsteuerreform

Laut der Studie basiert der Rückgang der Sterblichkeit auf dem geringeren Konsum von rotem Fleisch, das laut einer Studie der University of Cambridge unter anderem das Risiko für Typ-2-Diabetes stark erhöht, einem höheren Obst- und Gemüsekonsum und einem Rückgang von Übergewicht. Herz-Kreislauf-Erkrankungen (- 54 %), Krebserkrankungen (- 28 %), Schlaganfälle (- 15 %) und viele andere Krankheiten würden durch die gesündere Ernährung deutlich zurückgehen.

„Unsere Analyse zeigt, dass die meisten europäischen Länder gesundheitlich, ökologisch und wirtschaftlich profitieren könnten. Die EU hat den Mitgliedsstaaten bereits mehr Freiheit eingeräumt, die Mehrwertsteuer auf Umweltzwecke auszurichten. Daher ergibt es Sinn, die MwSt. als Instrument zur Steuerung der Ernährungsgewohnheiten einzusetzen.“

Ökonomische Vorteile durch reduzierte Gesundheitskosten

Die Studie zeigt zudem, dass eine solche Mehrwertsteuerreform große ökonomische Vorteile hätte. Die Gesundheitskosten würden um rund 26 Milliarden US-Dollar sinken und die durch den Klimawandel verursachten Kosten um 12 Milliarden US-Dollar. Außerdem würden die Länder durch höhere Mehrwertsteuersätze auf Fleisch- und Milchprodukte rund 83 Milliarden US-Dollar zusätzlich einnehmen. Die Lebensmittelkosten der Verbraucher würden sich hingegen im Mittel nur um 0,5 Prozent erhöhen und in manchen Ländern, darunter Dänemark, sogar sinken.

„Wenn wir gesellschaftliche Herausforderungen wie Klimaschutz und öffentliche Gesundheit angehen wollen, könnten Anpassungen der Mehrwertsteuer ein verhältnismäßig unkompliziertes Instrument sein, das weniger politische Konflikte auslösen würde als die Einführung neuer Steuern. Eine spezifische Steuer, etwa eine CO₂-Abgabe, würde wahrscheinlich eine präzisere Wirkung erzielen, doch auch die politische Umsetzbarkeit muss berücksichtigt werden.“

Nature Food, doi: 10.1038/s43016-024-01097-5

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