Dennis L.
Eine aktuelle Studie kommt zu dem Ergebnis, dass rund ein Drittel mehr eingespart werden könnte, wenn der Gesetzgeber den Abriss und Neubau von Mehrfamilienhäusern nicht benachteiligen würde. Zudem wäre ein Neubau oftmals auch preiswerter.
Kiel (Deutschland). Obwohl es bei rund zehn Prozent der Mehrfamilienhäuser eigentlich wirtschaftlich sinnvoller wäre, das Haus abzureißen und ein neues zu bauen, wird aufgrund der einseitigen Förderbedingungen der Bundesregierung fast nur modernisiert. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie Bestandserneuerung 2.0 - Potenziale und Chancen.
Die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE) hat im Auftrag von Bauverbänden bestehende Mehrfamilienhäuser untersucht. Auf dieser Grundlage konnte das Pestel-Institut in Hannover die Kostenberechnungen für diese Immobilien anstellen. Demnach kostet es 2.408 Euro/m² Wohnfläche, ein Mehrfamilienhaus abzureißen und stattdessen ein neues zu bauen (Bestandsersatz). Eine Vollmodernisierung kostet hingegen 2.622 Euro/m². Das Ergebnis ist in beiden Fällen ein barrierefreies Gebäude mit flexiblen Grundrissen von durchschnittlich 64 m² (statt bisher 53 m²).
Der typische Neubau mit einem Wert von 70 in der Effizienznorm DIN 4109 für den Schallschutz liegt damit deutlich über dem modernisierter Altbauten mit einem Wert von 100. Ohne Förderung erhält man ein technisch besseres Gebäude für weniger Geld, wenn man abreißt und neu baut - und das, obwohl die Forscher sogar 31.360 Euro für ein "Umzugsmanagement" zur Unterbringung der Bewohner während der Bauzeit veranschlagt haben.
Dietmar Walberg, der Leiter der Studie bei der ARGE Kiel, kam zu dieser auf den ersten Blick überraschenden Kostenrelation mit den Bedingungen auf jeder Baustelle: „Man hat es mit völlig unterschiedlichen Kostenbedingungen zu tun.“ Unterm Strich bedeutet dies: Wer ein Mehrfamilienhaus bauen möchte, fährt damit oft besser als mit dem Kauf und der Sanierung einer Bestandsimmobilie.
Doch nun kommt die Förderung ins Spiel. Von den 2.622 Euro/m² für die Modernisierungsvariante entfallen 558 Euro/m² auf die energetische Sanierung. Dieser Anteil kann vollständig mit günstigen KfW-Krediten finanziert werden, ebenso wie ein Großteil der Kosten für den Umbau zur Barrierefreiheit. "Jetzt sind die Sanierungsvarianten auf einmal deutlich günstiger", so Matthias Günther.
Die Förderung der Sanierung von Bestandsgebäuden benachteilige den Ersatz von Bestandsgebäuden durch private und kommunale sowie genossenschaftliche Investoren, sagte er. Günther: "Die KfW-Förderung führt in der Regel zu einem sanierten Haus, das energetisch nicht an einen Neubau heranreicht." Anders verhält es sich bei Einfamilienhäusern, wobei auch hier die KfW-Förderung tendenziell die Modernisierung begünstigt.
Die Verbände des Baugewerbes fordern daher, dass die Mittel für den Ersatz bestehender Gebäude den Mitteln für die Modernisierung gleichgestellt werden sollten. Sie schlugen außerdem vor, Abriss und Umzugsmanagement ebenfalls staatlich zu bezuschussen und den Bestandsschutz im Baugesetzbuch so zu regeln, dass Abriss und Neubau ebenso einfach genehmigt werden können wie Modernisierung und Neubau.
Das bedeutet, dass jedes Jahr 100.000 zusätzliche energieeffiziente und altersgerechte Wohnungen in Deutschland entstehen könnten. Durch eine Vollmodernisierung könnten unter heutigen Bedingungen 45 Terawattstunden (TWh) Endenergie eingespart werden. Dies könnte sich auf 60 TWh erhöhen, wenn die Möglichkeiten zum Austausch des Gebäudebestandes voll ausgeschöpft würden. Dies würde durch eine Erhöhung der energetischen Modernisierungsrate um den Faktor 1,5 erreicht werden.
Aufschlussreich waren an dieser Stelle die Ausführungen von ARGE-Forscher Walberg: "Man liest oft, dass die energetische Modernisierungsrate in Deutschland bei 1,1 Prozent pro Jahr liegt. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich werden jedes Jahr 5 Prozent der Gebäude modernisiert, in 95,9 Prozent der Fälle handelt es sich dabei aber nur um kleinere Maßnahmen wie den Austausch einiger Fenster. Im Durchschnitt ergibt sich daraus eine Energieeinsparungseffizienz von 7,7 Prozent. Auch wenn sich ein solcher Wert auf die Modernisierungseffizienz bezieht, die eine Vollmodernisierung im empirischen Durchschnitt erreicht (35 Prozent), kommt man nur auf die angegebenen 1,1 Prozent pro Jahr. Doch selbst das unterscheidet sich noch zwischen Einfamilienhäusern (ein Prozent/Jahr) und Mehrfamilienhäusern (1,3 Prozent/Jahr). Mit der Intensivierung von Abriss und Neubau könnte der derzeitige Durchschnitt von 1,1 Prozent nun auf über 1,7 Prozent gesteigert werden.
Ein weiteres Argument für eine solche Intensivierung leitete Dietmar Walberg aus einer Bestandsaufnahme ab, die auf 10.000 Wohneinheiten (167 Gebäude) für den Bereich der Mehrfamilienhäuser basiert: Welche Gebäude wurden eigentlich in den letzten fünf Jahren gebaut, wenn ein altes Haus abgerissen wurde? In 61,1 Prozent der Fälle handelte es sich um ein Effizienzhaus 70. 20,3 Prozent wurden nach dem gesetzlichen Mindeststandard gemäß EnEV 2009/2014 gebaut. 15 Prozent wurden als Effizienzhaus 55 gebaut. Auf den Effizienzhaus 40-Standard entfielen nur 3,6 Prozent der bestehenden Ersatzbauten.