Dennis L.
Wer einen Krankenwagen ruft, ist im Regelfall auf schnelle Hilfe angewiesen. Brauchen Rettungskräfte zu lange, sinken die Chancen auf erfolgreiche Rettung. Wie das Institut der Deutschen Wirtschaft nun mit einer Auswertung zeigt, ist das mancherorts ein mögliches Problem.
Zwölf bis fünfzehn Minuten soll es dauern, bis in Deutschland ein Rettungswagen am Bestimmungsort angelangt ist. Nicht leicht für die Einsatzkräfte, die seit Jahren eine steigende Belastung zu verzeichnen haben. Wie das Fachmagazin Notfall + Rettungsmedizin berichtet, hat sich das jährliche Aufkommen an Rettungsfahrten zwischen 1994 und 2013 nahezu verdoppelt. Welche Rahmenbedingungen dabei gelten, ist bundesweit nicht einheitlich geregelt.
Wie lange der Rettungswagen maximal benötigen darf, um zum Einsatzort zu gelangen, kann auf Länderebene festgelegt werden. 95 Prozent der Fälle in den Bundesländern Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen-Anhalt sollen nach maximal zwölf Minuten ab Notruf-Eingang erreicht werden. Mecklenburg-Vorpommern schreibt zehn, Schleswig-Holstein zwölf und Niedersachsen fünfzehn Minuten vor.
In einigen Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein beginnt die Zeit erst dann zu laufen, wenn die Mannschaft, die laut Rettungsdienstgesetz mindestens aus einem Notfallsanitäter und einem Rettungssanitäter bestehen muss, den Alarm über die Telefonzentrale erhält.
Rettungssanitäter sind dabei für die Krankenbeförderung und in der Notfallrettung als Fahrer sowie Unterstützung bei der Versorgung von medizinischen Notfällen tätig. Notfallsanitäter wiederum sind mit der direkten Notfallversorgung betraut, arbeiten gegebenenfalls mit Notärzten zusammen, können aber auch in Eigenverantwortung agieren. Dass Vertreter beider Berufsgruppen zur Besatzung eines Rettungswagens gehören müssen, ist folglich ein logischer Schritt. So kann der Rettungssanitäter nach der Erstversorgung die Fahrt zur Klinik übernehmen, während der Notfallsanitäter im hinteren Bereich des Fahrzeugs den Patienten betreut.
Die Vorgaben im Hinblick auf die Geschwindigkeit der Notfallversorgung sind einerseits wichtig, um fatalen Verspätungen im Ernstfall vorzubeugen. Ob die Rahmenbedingungen aber überhaupt eingehalten werden können, hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) nun im Detail überprüft. Hierbei entdeckten die Forscher teilweise erhebliche Differenzen und veröffentlichten eine online einsehbare Karte.
Kartenmaterial der Datenbank Open Street Map diente den Forschern als Basis für ihre Auswertung. Sie analysierten von jedem verfügbaren Punkt innerhalb eines Kreises die jeweilige Entfernung zu den drei am nächsten gelegenen Rettungswachen und errechneten dann die jeweils kürzeste Fahrtzeit. Nicht berücksichtigt wurden dabei Feuerwachen, welche jedoch teilweise ebenfalls Rettungsdienste übernehmen. Dies ist wichtig zu wissen, denn auf Basis dessen könnten die Fahrtzeiten in der Karte mitunter überschätzt worden sein.
Die auf der interaktiven Karte angegebene Zeit zeigt an, wie schnell ein Rettungswagen 95 Prozent der Bevölkerung innerhalb einer Gemeinde durchschnittlich erreichen kann. Gezählt wird ausschließlich die Fahrtzeit, exkludiert sind Notruf-Dauer, Alarmierung und Ausrückzeit. Diese zusätzlichen Informationen könnten die Zeit mitunter deutlich verändern und eher Hinweise auf interne Abläufe und eventuellen Optimierungsbedarf liefern. Für die überregionale Betrachtung allerdings ist es wichtig, eine möglichst gut vergleichbare Zahl zu nutzen, was mit der Fahrzeit gewährleistet wird.
Dass die Fahrtzeiten in der Auswertung so unterschiedlich ausfallen, lässt sich nicht auf eine Ursache allein zurückführen. Vor allem die Tatsache, dass der Rettungsdienst in Deutschland von Region zu Region äußerst unterschiedlich aufgebaut sein kann, trägt zu Differenzen bei, die sich von außen zunächst nicht überblicken lassen. Um von Gemeinde zu Gemeinde eine individuelle Optimierung zu erzielen, braucht es folglich einen detaillierteren Blick.
Die Björn-Steiger-Stiftung fordert daher bereits seit den 60er-Jahren Verbesserungen. Die Gründung der Stiftung geht auf die Geschichte von Björn Steiger zurück, der als Neunjähriger von einem Auto angefahren wurde. Weil die Rettungskräfte beinahe eine Stunde benötigten, um die Unfallstelle zu erreichen und Björn schließlich während des Transports an den Folgen eines Schocks verstarb, gründeten die Eltern Ute und Siegfried Steiger die Stiftung.
Zu den aktuell von der Stiftung geforderten Veränderungen gehört die Einführung bundeseinheitlicher Vorgaben für die Qualität der rettungsdienstlichen Versorgung und der Notfallversorgung allgemein. Diese müssten nicht nur festgelegt, sondern auch stetig überwacht und auf ihren Effekt hin geprüft werden. Um das umzusetzen, wäre eine Änderung des Grundgesetzes notwendig. Ebenfalls als problematisch erachten die Experten die vielerorts zu verzeichnenden Umbauarbeiten innerhalb von Gemeinden, welche verkehrsberuhigende Maßnahmen ergreifen wollen. Hiermit verbunden können auch Hindernisse sein, die Krankenwagen ausbremsen und anderen Fahrzeugen das Ausweichen erschweren.
Bei einem Blick auf die Auswertung des IW wird deutlich: Im Osten Deutschlands braucht der Krankenwagen nicht selten länger als es die Vorschrift erlaubt. Vor allem in der Uckermark, an der Mecklenburgischen Seenplatte und in der Prignitz können die Wartezeiten der Analyse zufolge lang ausfallen. Einzelne Gemeinden im Rest der Bundesrepublik fallen ebenfalls durch lange Wartezeiten auf. Gut sieht es hingegen in Ballungsgebieten, großen Teilen einiger Bundesländer sowie Großstädten aus. Besonders lang könnte eine Fahrt beispielsweise in
dauern. Schnell geht es dagegen unter anderem in
Erneut ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass es sich bei den angegebenen Zeiten jeweils um Durchschnittswerte handelt, die als Höchstwerte betrachtet werden sollten. So ist es möglich, dass sich durch das Vorhandensein von Feuerwehren mit Rettungsdienst eine erhebliche Verkürzung der individuellen Fahrtzeit ergibt.
Aus diesem Grund wäre die Anreicherung der Analyse mit diesen Informationen interessant, um ein noch detaillierteres Bild zu erhalten. Wie Dr. Henry Goecke, Leiter der Forschungsgruppe Big Data Analytics des IW, anmerkte, müsse darüber hinaus auch bedacht werden, dass sich Feuerwehren mitunter nur an einzelnen Tagen unterstützend einbrächten, während sie den Rest der Woche nicht im Rettungsdienst aktiv seien.
Letztlich liefert das IW jedoch auch unabhängig von diesen Details einen Überblick, der bei der Forschung nach möglichem Handlungsbedarf von großem Wert sein kann.