Dennis L.
Der Fachkräftemangel bzw. die Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte wird in immer mehr Ländern zu einem großen wirtschaftlichen Problem. Eine Forschungsgruppe hat nun die Gründe sowie die Folgen der Abwanderung am Beispiel des osteuropäischen Landes Tschechien genauer untersucht.
Prag (Tschechien). In Tschechen ist der Fachkräftemangel derzeit besonders groß. Überall fehlen Ärzte, Manager, IT-Spezialisten sowie Ingenieure und andere gut ausgebildete Fachkräfte. Das große Problem ist, dass diese hochqualifizierten Arbeitskräfte nicht nur in Tschechien oder anderen osteuropäischen Länder fehlen, sondern auch in fast allen westeuropäischen Ländern, welche natürlich versuchen, die gut ausgebildeten und qualifizierten Fachkräfte abzuwerben. Meist geschieht dies über eine spezielle tschechische Jobbörse oder gezielte Angebote an einzelne Arbeitnehmer durch westeuropäische Unternehmen. Dies stellt die Wirtschaft der Tschechische Republik vor ein zusätzliches Problem.
Die Abwanderung der bestqualifizierten Arbeitskräfte eines Landes in andere Staaten wird auch als Brain Drain bezeichnet. In einem solchem Fall stehen dem betroffenen Land nur zwei Optionen zur Verfügung:
Jana Vavreckova und ihre Kollegen des Prager Forschungsinstituts für Arbeit und Soziale Angelegenheiten (RILSA) haben zu besagter Problemstellung eine Studie mit dem Titel Die Migration und der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften erstellt. In ihrer Studie haben die Forscher den Fachkräftebedarf der alten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union analysiert und mit dem der Tschechischen Republik verglichen. Zudem haben die Forscher geschaut, wie die tschechische Politik versucht die Abwanderung der dringend benötigten Fachkräfte zu verhindern sowie die Gründe, warum so viele Tschechen ihr Land verlassen, um im Westen zu arbeiten.
Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass in den Branchen, in denen bereits in Tschechien ein Fachkräftemangel herrscht, auch die Nachfrage in den anderen EU-Mitgliedsstaaten enorm hoch ist. So fehlen beispielsweise alleine in Deutschland jedes Jahr rund 260.000 Fachkräfte aus dem Ausland. Deutschland hat dazu in den vergangenen Jahren Übergangsregeln eingeführt sowie ein neues Einwanderungsgesetzt erlassen, um dringend benötigte Fachkräfte nach Deutschland zu holen.
Auch Tschechien hat bereits im Jahr 2003 damit begonnen, ausländische Fachkräfte anzuwerben. Mit dem Pilotprojekt Active Selection of Qualified Foreign Workers will das Land qualifizierte Arbeitskräfte aus nicht EU-Staaten anlocken. Dieses Projekt sollte der erste Schritt von vielen sein, um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken. Die Politik hat versucht die Bearbeitungszeit von benötigten Anträgen deutlich zu beschleunigen, da die reguläre Bearbeitungszeit üblicherweise sehr lange dauert. Das Projekt ist nicht auf bestimmte Branchen oder Berufsgruppen beschränkt. Die Bewerber müssen lediglich ein Abitur und bereits die Zusage für eine Festanstellung nachweisen können. Der Erfolg des Projekts hält sich jedoch in Grenzen. Die Forscher vermuten der Nachweis der Arbeitsstätte eine zusätzliche Hürde ist und die Angebote nicht attraktiv genug sind. Um mehr potenzielle Fachkräfte anzusprechen, hat das tschechische Arbeitsministerium sogar eine spezielle Internetseite eingerichtet. Unter foreigners.cz können sich Interessenten diverse Angebote tschechischer Arbeitgeber ansehen. Laut Aussage der Forscher ist das Angebot jedoch recht überschaubar und die Qualität lässt zu wünschen übrig. Es stellt sich daher die Frage, ob dies der richtige Weg der Politik ist, um gebildete ausländische Arbeitskräfte ins Land zu locken.
Obwohl das Qualifikationsniveau der tschechischen Arbeitnehmer recht hoch ist, gibt es jedoch einen Mangel an studierten Fachkräften. So haben lediglich 13 Prozent der Arbeitnehmer einen Hochschulabschluss. Die Forscher vermuten die fehlende Verknüpfung zwischen dem Bildungswesen und dem Arbeitsmarkt als Grund für dieses Verhältnis. In anderen EU-Staaten funktioniert dies deutlich besser.
Um den Grund herauszufinden, warum die wenigen hochqualifizierten Fachkräfte das Land verlassen, haben die Forscher einen Blick auf die durchschnittlichen Gehälter geworfen. Jedoch ist das Lohnniveau laut Ansicht der Forscher nicht der entscheidende Faktor für die Abwanderung. Laut Studie spielt der Verdienst eher für die mittel- bis geringqualifizierten Arbeitskräfte eine entschiedenere Rolle. Für hochqualifizierte Fachkräfte steht nach Studienaussage eher der Erwerb von neuem Wissen im Vordergrund.
Dennoch berücksichtig die Studie auch die Verdienstmöglichkeiten der untersuchten Arbeitnehmergruppe. Die Forscher kommen zu dem Entschluss, dass diese im Ausland mindestens das Dreifache verdienen. Befragte Personen reicht bereits jedoch schon eine Verdopplung des Lohns, um ernsthaft über eine Abwanderung nachzudenken.