Robert Klatt
Die Luftfahrt soll in den kommenden Jahrzehnten klimaneutral werden. Forscher haben nun berechnet, ob und wie sich dies auf die Ticketpreise auswirken wird.
Zürich (Schweiz). Die Luftfahrt ist für etwa vier Prozent der menschlichen CO₂-Emissionen verantwortlich. Weil in Zukunft die Anzahl der Flugzeuge mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter zunehmen wird, arbeitet die Wissenschaft daran, das Fliegen klimaneutral zu machen. Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) haben nun untersucht, ob und wie viel die Ticketpreise durch die klimaneutralen Technologien steigen werden.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature Communications kamen sie dabei zu dem Ergebnis, dass die Preise inflationsbereinigt um etwa 50 Prozent steigen, wenn man fossiles Kerosin komplett durch klimaneutrale, synthetische Treibstoffe ersetzt.
„Dieser mögliche Anstieg ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Flugpreise in den letzten 25 Jahren um mehr als 40 Prozent gesunken sind. Setzt sich dieser Trend fort, würde klimaneutrales Fliegen um 2050 in etwa gleich viel kosten wie ein Flugticket heute.“
Die Forscher haben in ihrer Studie zwei Ansätze für klimaneutrales Fliegen untersucht. Beim ersten Ansatz nutzen die Fluggesellschaften Kerosin durch synthetische Kraftstoff, die aus abgeschiedenen CO₂ produziert werden. Sie sind somit klimaneutral, weil bei ihrer Verbrennung kein neues CO₂ in die Atmosphäre gelangt. Im zweiten Ansatz nutzen die Flugzeuge weiterhin fossiles Kerosin. Das in die Atmosphäre emittierte CO₂ wird in diesem Fall aus der Luft gefiltert und gespeichert.
Die Berechnungen zeigen, dass synthetische Treibstoffe deutlich geringere Kosten erzeugen. Dies liegt daran, dass die Klimawirkung des Fliegens nicht nur durch die CO₂-Emissionen ausgelöst wird, sondern auch durch Kondensstreifen, Rußpartikel und andere Faktoren.
„Durch Kondensstreifen und andere Nicht-CO2-Effekte, die etwa durch frei werdende Russpartikel oder Stickoxide entstehen, kann der klimaerwirksame Effekt des Flugverkehrs bis zu dreimal grösser sein als die Wirkung des ausgestossenen CO₂ allein.“
Die nicht CO₂-bedingten Klimaeffekte des Luftverkehrs beeinflussen den Klimawandel sehr schnell, während CO₂-Emissionen eher mittel- bis langfristige Auswirkungen haben. Der Luftverkehr kann also nur wirklich klimaneutral sein, wenn die zusätzlichen Nicht-CO2-Effekte durch eine entsprechende CO₂-Entnahme ebenfalls kompensiert werden.
In diesem Szenario haben synthetische Treibstoffe einen großen Vorteil, weil sie deutlich sauberer verbrennen als Kerosin aus Erdöl. Sie erzeugen also weniger Nicht-CO2-Effekte. Wenn Flugzeuge mit erdölbasiertem Kerosin klimaneutral fliegen würden, wären somit Zusatzkosten nötig, die zu etwa 55 bis 75 Prozent teureren Flugtickets führen würden. Nutzt man stattdessen synthetisches Kerosin, steigen die Ticketpreise nur um 45 bis 60 Prozent.
Laut den Forschern sind die Produktionskapazitäten für synthetisches Kerosin derzeit noch deutlich zu klein.
„Um eine klimaneutrale Luftfahrt zu erreichen, müssen wir die Versorgung mit synthetischen Treibstoffen massiv ausbauen, grosse Mengen an grünem Wasserstoff produzieren und eine Infrastruktur für den Transport und die Speicherung von CO₂ aufbauen. Dies wird eine beispiellose Herausforderung sein.“
Die Forscher denken jedoch, dass die politischen Rahmenbedingungen zumindest in der Europäischen Union (EU) zu einem baldigen Ausbau der Kapazitäten führen könnten. Seit 2025 muss dem fossilen Kerosin mindestens zwei Prozent eines nachhaltigen Treibstoffs beigemischt werden. Dieser Anteil soll bis 2050 auf 70 Prozent steigen.
„Diese Massnahmen gehen in die richtige Richtung und sollten ausgebaut werden. Zudem müsste auch der Preis von CO₂ steigen, um fossiles Kerosin teurer und damit unattraktiver zu machen.“
Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-024-55482-6