Robert Klatt
In Deutschland ist die Bürokratie besonders ausgeprägt. Ökonomen haben nun berechnet, wie stark die Wirtschaftsleistung dadurch abnimmt.
München (Deutschland). In Deutschland belastet die Erledigung des klassischen Papierkrams Unternehmen und Bürger stark. Laut dem Bürokratiekostenindex (BKI) Statistischen Bundesamts (Destatis) ist die bürokratische Belastung in den letzten Jahren zwar leicht gesunken, ist aber noch immer deutlich höher als in den meisten anderen Staaten. Ökonomen des ifo Instituts – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V. (ifo) haben nun berechnet, dass Deutschland durch die überbordende Bürokratie bis zu 146 Milliarden Euro Wirtschaftsleistung jährlich entgehen.
„Das große Ausmaß der Kosten durch die Bürokratie verdeutlicht die Dringlichkeit des Reformbedarfs. Die Kosten von Nichtstun sind riesig, gemessen am Wachstumspotenzial, das im Bürokratieabbau schlummert.“
Laut den Ökonomen entstehen die hohen Kosten vor allem durch die unzureichende Digitalisierung der Behörden und des Staates, die Unternehmen weiterhin zwingt, viele Prozesse analog abzuwickeln.
„Würde Deutschland bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung auf das Niveau von Dänemark aufschließen, wäre die Wirtschaftsleistung um 96 Milliarden Euro pro Jahr höher.“
Wie die Industrie- und Handelskammer (IHK) München und Oberbayern, die die Studie beauftragt hat, erklärt, leiden besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) unter der Bürokratie. Dies liegt unter anderem daran, dass Unternehmen dieser Größe oft noch keine eigenen Abteilungen haben, die sich speziell um die bürokratischen Anforderungen kümmern können.
„Bürokratie wird seit zwei Jahren in allen IHK-Umfragen als das größte Problem der Wirtschaft genannt. Je kleiner die Unternehmen sind, desto gravierender ist die Belastung. Die ifo-Studie beziffert erstmals, wie stark Bürokratie und fehlende Digitalisierung unsere Unternehmen tatsächlich ausbremsen. Der Schaden im dreistelligen Milliardenbereich ist gigantisch.“
Die IHK München und Oberbayern fordert angesichts der Studienergebnisse ein sofortiges Bürokratiemoratorium, das unter anderem eine Prüfung aller Nachweis- und Dokumentationspflichten, Berichtspflichten und Statistikmeldungen, Datenschutzvorgaben und langwierigen Verwaltungsverfahren umfasst. Außerdem fordert der Wirtschaftsverband eine umfassende Verwaltungsdigitalisierung.
„Die Verwaltungsdigitalisierung muss auf die Sprünge kommen: Die Unternehmen brauchen einen zentralen Online-Zugang zu allen wirtschaftsrelevanten Leistungen und bundesweit einheitliche, nutzerfreundliche Lösungen.“
Laut den Wissenschaftlern wurden in der aktuellen Studie sowohl die direkten als auch die indirekten Kosten der Bürokratie in Deutschland miteinbezogen. Die Gesamtkosten der Bürokratie sind deshalb deutlich höher als in anderen Schätzungen, darunter die Schätzung des Normenkontrollrats, die ausschließlich direkte Bürokratiekosten betrachtet haben.