Dennis L.
Der zunehmende Abbau von politischen Freiheiten und Rechtsstaatlichkeit bringt nicht nur schwächere, sondern mehr und mehr auch stabile Demokratien ins Wanken. Die aktuelle Coronakrise könnte diese Entwicklung laut Experten sogar noch verstärken.
Gütersloh (Deutschland). Laut einer aktuellen Bertelsmann-Studie zufolge kommen auf der Welt gerade mehr und mehr stabil geglaubte Demokratien ins Wanken. So haben beispielsweise die Regierungen in Brasilien, Indien und Ungarn ganz aktiv die Schwächung der Demokratie vorangetrieben, wie es im gerade veröffentlichten Bertelsmann-Transformationsindex (BTI) heißt. Die aktuell angespannte Lage durch die Coronakrise könnte diese Situation laut Fachleuten noch verstärken.
Die Studie untersucht 137 Länder, wobei der Anteil an Demokratien aktuell bei 54 Prozent liegt. Dies ist ein Rückgang von drei Prozent im Vergleich zum Jahr 2010. Zudem sanken die Bewertungen der Qualität der Demokratie, der Marktwirtschaft sowie der Regierungsführung auf den weltweit tiefsten Stand seit Erhebung der Daten. Die Autoren der Studie machen dafür vor allem die gezielte Schwächung von Demokratien und die Stärkung von Repressionssystemen verantwortlich.
So geht aus der aktuellen Studie hervor, dass in ganzen 60 Staaten die Gewaltenteilung in dem letzten Jahrzehnt nach und nach erkennbar ausgehöhlt wurde. 58 Nationen schränkten die Demonstrationsrechte und die Organisationsfreiheit ein. Erschreckend sind auch die Zahlen bezüglich der Meinungs- und Pressefreiheit. Laut der Studie wurde diese in der Hälfte aller untersuchten Länder eingeschränkt.
„Nationalismus und Klientelpolitik sind nicht neu, aber sie sind weltweit salonfähig geworden“, erläutert Bertelsmann-Vorstandsmitglied Brigitte Mohn. „Auch einstige demokratische Vorreiter, die wie Polen oder Ungarn, die mitten in Europa liegen, gehören heute zu den Problemfällen in puncto Rechtsstaatlichkeit und Demokratiequalität.“
Als wesentliche Ursache für den Abbau der Demokratie in der Welt machen die Studienautoren vor allem Machtsicherung und Günstlingswirtschaft verantwortlich. Diese verstärken die wirtschaftliche Ungleichheit und somit die Spaltung der Gesellschaft. In 42 Ländern sank in den letzten zehn Jahren die Regierungsqualität signifikant aufgrund dieser zwei genannten Faktoren.
Die große Befürchtung: Die Coronakrise könnte von vielen Staats- und Regierungschefs zur Festigung autoritärer Strukturen genutzt werden. So zeigt sich beispielsweise jetzt schon, dass die ungarische Notstandsgesetzgebung zu Bekämpfung von Corona einen Trend zu einer starken Exekutiven fördert. So sind mangelndes Vertrauen der Bürger in ihre Regierung sowie schlechte politische Führungsqualitäten äußerst ungünstige Voraussetzungen für ein erfolgreiches Krisenmanagement.
Dass sich negative Trends aber auch umkehren können, zeigen laut der Studie die Staaten Armenien, Ecuador und Malaysia. Hier findet in den letzten Jahren vermehrt eine Stärkung der Demokratie und deren Grundwerte statt.