Robert Klatt
Die Ökonomie ging bisher davon aus, dass Menschen nach immer mehr Reichtum streben. Eine Studie zeigt nun, dass sich die meisten Menschen für ihr absolut ideales Leben kein Milliardenvermögen wünschen.
Bath (England). In der Ökonomie existiert seit Langem die These, dass Menschen unbegrenzte Bedürfnisse haben, also beispielsweise nach immer mehr Geld streben. Dies beeinflusst nicht nur die Wirtschaftstheorie, sondern auch die Regierungspolitik und prägt viele Aspekte des Lebens, darunter etwa die Werbung und das Konsumverhalten. Der Wunsch nach unendlichem Wirtschaftswachstum und individuellem Reichtum hat verheerenden Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen und des Planeten.
Bisher konnte die Forschung aber noch keine Methoden finden, mit denen das gesunde wirtschaftliche Wachstum von den schädlichen Wirtschaftsprinzipien unterschieden werden kann. Forscher der Universitäten Bath haben nun eine Studie publiziert, die untersucht hat, ob Menschen tatsächlich den Wunsch nach immer mehr materiellen Gütern haben.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature Sustainability haben sie dazu 8.000 Menschen aus 33 Ländern und sechs Kontinenten befragt, wie viel Geld diese benötigen, um ihr absolut ideales Leben führen zu können. In einem Großteil der Länder (86 %) antworteten die meisten Probanden, dass ihnen 10 Millionen US-Dollar oder weniger genügen würden. In einem Land gab ein Großteil der Teilnehmer sogar an, dass sie lediglich eine Million US-Dollar für ihr absolut ideales Leben benötigen würden.
Das Vermögen der aktuell reichsten Person Bernard Arnault, der laut Forbes rund 220 Milliarden US-Dollar besitzt, würde also ausreichen, um mehr als zweihunderttausend Menschen ihr absolut ideales Leben zu ermöglichen.
Die Probanden stammen teilweise auch aus Ländern, die in der interkulturellen Psychologie selten berücksichtigt werden, wie Saudi-Arabien, Uganda, Tunesien, Nicaragua und Vietnam. Menschen mit unbegrenzten Wünschen wurden in jedem Land gefunden, waren jedoch stets in der Minderheit. Es stellte sich heraus, dass diejenigen mit unbegrenzten Wünschen tendenziell jünger und Stadtbewohner waren, die mehr Wert auf Erfolg, Macht und Unabhängigkeit legten.
Unbegrenzte Wünsche waren auch in Ländern mit größerer Akzeptanz von Ungleichheit und in Ländern, die kollektivistischer waren, häufiger anzutreffen. Indonesien, ein Land, das als akzeptierender gegenüber Ungleichheit gilt, hatte die meisten Menschen mit unbegrenzten Wünschen, während es im gleichheitsorientierten Großbritannien weniger gab. China bildet eine Ausnahme, weil trotz hoher Akzeptanz von Ungleichheit dort nur Menschen unbegrenzte Wünsche hatten.
Nature Sustainability, doi: 10.1038/s41893-022-00902-y
