Robert Klatt
Wissenschaftler haben einen neuen zuvor für unmöglich gehaltenen Reaktionsweg gefunden, der aus CO2 molekularen Sauerstoff erzeugt. In Zukunft könnte so auf dem Mars Sauerstoff für Astronauten hergestellt werden.
Pasadena (U.S.A.). Wissenschaftler des California Institute of Technology haben eine neue Möglichkeit gefunden, um Kohlendioxid ohne den Einsatz zusätzlicher Chemikalien in molekularen Sauerstoff umzuwandeln. In Zukunft könnte dies genutzt werden, um Astronauten bei Langzeitmissionen im Weltraum wie zum Beispiel einer Reise zum Mars mit Sauerstoff zu versorgen. Der Zerfallsprozess wird ausgelöst, in dem CO2 mit hohen Geschwindigkeiten auf einen inerte, also nicht oder kaum mit anderen Stoffen reagierende Oberfläche geschossen wird. Die Kollision sorgt dafür, dass das CO2 in molekulares O2 und ein Kohlenstoff-Atom zerfällt.
Bis zur Veröffentlichung der Forschungsarbeit im Fachmagazin Nature Communications ging die Wissenschaft davon aus, dass zur Gewinnung von O2 aus CO2 ein zusätzlicher Reaktionspartner sowie ein hoher Energieeinsatz nötig sind, was diese Möglichkeit der Sauerstoffversorgung für Astronauten während Aufenthalten im Weltraum praktisch nicht nutzbar gemacht hätte.
Der neue Forschungsansatz wurde durch den überraschenden Nachweis von molekularem Sauerstoff durch die Raumsonde Rosette innerhalb der Gashülle des Kometen Churyumov-Gerasimenko ausgelöst. Wie Yunxi Yao erklärt, „hat dieser Fund das Interesse an abiotischen Reaktionen geweckt, die in extremen Umgebungen Sauerstoff freisetzen können.“
Simulationen zeigen, dass ähnlich wie im Reaktor der Wissenschaftler auch in der Gashülle des Kometen Kollisionen zwischen Gasmolekülen stattfinden könnten, die ausreichend Energie für den Zerfall von CO2 in O2 und Kohlenstoff liefern. Voraussetzung für die Reaktion ist jedoch, wie Konstantinos Giapis erklärt, „eine umfassende molekulare Umlagerung im CO2-Molekül, die aufgrund des linearen Aufbaus eine extreme Verbiegung benötigt, damit Kontakt zwischen den beiden Sauerstoffatomen entstehen kann.“
Um zu experimentell zu überprüfen, ob diese Reaktion, die vermutlich in der Gashülle des Kometen erfolgt, tatsächlich dafür verantwortlich sein kann, dass die beiden Sauerstoffatome eines CO2-Moleküls verbunden werden, haben die Wissenschaftler CO2-Moleküle im Vakuum auf eine Goldfolie geschossen. Die Verwendung des inerten Materials stellt sicher, dass bei der Kollision kein Sauerstoff freigesetzt wird und Sauerstoff somit nur durch den Zerfallsprozess an sich erzeugt werden kann.
Ein Teil der CO2-Moleküle zerfiel durch den Beschuss vollständig in seine Einzelatome, bei einem Teil entstand jedoch ohne weitere Katalysatoren O2. Insgesamt konnten etwa zwei Prozent des CO2 durch die Kollision, ohne das weitere Energie benötigt wurde, in molekularen Sauerstoff umgewandelt werden.
Die zuvor als unmöglich angesehene Umwandlung ist laut Analysen der Studienautoren möglich, da „als Erstes das führende Sauerstoffatom mit einem Goldatom des Untergrunds kollidiert, dann folgt der Aufprall des CO-Molekülrests.“ Meistens führt dies laut den Beobachtungsdaten dazu, dass das zuerst auftreffende Sauerstoffatom abgetrennt wird und so Kohlenmonoxid entsteht. Bei etwa fünf Prozent der aufgezeichneten Kollision erfolgte diese Abtrennung jedoch nicht, sondern es erfolgte lediglich eine starke Verformung des CO2, „die zu einer intramolekularen Reorganisation führt, die eine dreieckige Konfiguration des CO2 mit nahezu gleichen Bindungslängen zwischen den Atomen“ verursacht. Dies führt dazu, dass die Sauerstoffatome aufgrund ihrer nun sehr nahen Lage eine Bindungsumlagerung eingehen können. Yao erklärt, dass „das Molekül so zu einem freien Kohlenstoff-Atom und einem O2-Molekül dissoziiert.“
Der neuentdeckte intramolekulare Reaktionsweg der CO2-Dissoziation ist überraschend einfach und unabhängig von der Art und Temperatur der Kollisions-Oberfläche. Theoretisch würde es bereits ausreichen, einen Stein in etwas CO2 zu werfen, um die Reaktion auszulösen, vorausgesetzt der Stein ist dabei so schnell wie ein Asteroid im Weltraum.
In Zukunft könnte die Reaktion auch praktisch genutzt werden, um Astronauten auf dem Mars mit Sauerstoff zu versorgen. Da der aktuelle Reaktionsweg noch nicht effektiv genug ist, wollen die Wissenschaftler nun versuchen die erzeugte Sauerstoffmenge durch eine Kombination mit anderen Reaktionswegen weiter zu steigern. Womöglich könnte so ein Gerät entstehen, mit dem sich direkt auf dem roten Planeten aus dem dort reichlich vorkommenden CO2 Sauerstoff erzeugen lässt.