Robert Klatt
In der klassischen Physik wird Material beim Erwärmen flüssig. Eine dipolare Quantenflüssigkeit bildet beim Erwärmen hingegen kristalline Strukturen und wird dadurch fest.
Aarhus (Dänemark). In der klassischen Physik erhöht die Erwärmung eines Materials die thermische Bewegung seiner Atome. Es kommt dadurch erst zum Schmelzen eines Feststoffs und schlussendlich zum Verdampfen der Flüssigkeit. Wissenschaftler der Universität Aarhus haben nun entdeckt, dass diese Prozesse in der Quantenwelt auch anders ablaufen können. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature Communications existiert eine dipolare Quantenflüssigkeit, die beim Erwärmen fest wird.
Die Grundlage der Forschungsarbeit ist die sogenannte Suprasolidität, ein quantenmechanischer Zustand der Materie, der gleichzeitig Eigenschaften fester als auch suprafluider Körper zeigt. Erstmals vorausgesagt wurde die Suprasolidität bereits 1969 sowohl von David J. Thouless als auch von Alexander Andrejew und Ilja Lifschiz. Physiker der Universität Stuttgart haben die Theorie der Suprafestkörper 2019 erstmals experimentell nachgewiesen. Zudem gelang es Wissenschaftlern der Universität Innsbruck 2021 erstmals einen zweidimensionalen Suprafestkörper zu erzeugen.
Forscher vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) beobachteten 2021, dass Quantengase aus stark magnetischen Atomen bei minus 273 Grad Celsius, einer Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt, parallel eine suprafluide, also widerstandsfrei fließende, Flüssigkeit und einen Kristall bilden.
Im Gegensatz zu partiell geschmolzenem Eis existieren in Suprafestkörpern aber keine festen und flüssigen Anteile nebeneinander, sondern die zwei Materiezustände überlagern sich auf quantenmechanische Art und Weise. Ihre Atome sind also gleichzeitig Teil der Supraflüssigkeit und des Kristalls.
Nun haben Forscher der Universität Aarhus in Kooperation mit Forschern der Universität Innsbruck der Rätsel der suprafesten Strukturen gelöst. Dazu analysierten sie den Zustand in einem Gas stark magnetischer Dysprosium-Atome. Wie Claudia Politi erklärt, machten sie dabei eine unerwartete Beobachtung.
„Ein Temperaturanstieg fördert die Entstehung von suprafesten Strukturen.“
Auf Basis dieser Entdeckung entwickelten die Physiker ein theoretisches Modell, mit dem die experimentellen Ergebnisse erklärt werden können. Verantwortlich für das Verhalten der Quantenflüssigkeit ist demnach die Richtungsabhängigkeit (Anisotropie) der Dipol-Dipol-Wechselwirkung der magnetischen Dysprosium-Atome. Diese wirkt parallel anziehend als auch abstoßend. Zudem gelang es den Wissenschaftlern erstmals ein Phasendiagramm zu erstellen, dass die Entstehung suprafester Zustände bei unterschiedlichen Temperaturen verdeutlicht.
Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-023-37207-3