Alternativer Brennstoff

Erstmals Bor-Wasserstoff-Fusion im Plasma ausgelöst

Robert Klatt

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Auf den Punkt gebracht
  • Bisher nutzen Kernfusionsreaktoren als Brennstoffe schweren Wasserstoff (Deuterium) und Tritium. Deren Fusion setzt jedoch große Mengen radioaktiver, energiereicher Neutronen frei und muss daher komplex abgeschirmt werden
  • Alternativ könnte man statt Tritium auch Bor verwenden, weil deren Fusion keine Neutronen erzeugt. Problematisch ist jedoch, dass Wasserstoff-Bor-Plasma erst bei 30-mal höheren Temperaturen zündet
  • Physikern ist es nun erstmals gelungen, eine Fusion von Wasser mit Bor im Plasma auszulösen

Die Kernfusion mit Bor produziert keine radioaktiven Neutronen, benötigt für die Zündung aber 30-mal höhere Temperaturen als Deuterium-Tritium-Plasma. Nun haben Physiker erstmals eine Bor-Wasserstoff-Fusion im Plasma ausgelöst.

Foothill Ranch (U.S.A.). Die Kernfusion soll die Energieprobleme der Menschheit lösen. Bisher ist aber noch offen, welche Technologie sich am besten für den Bau von Fusionskraftwerken eignet. Physiker erproben aktuell verschiedene Reaktortypen, darunter Stellaratoren wie den deutschen Wendelstein 7-X, dessen Fusionsplasma kürzlich einen neuen Rekord aufstellte, die Laserfusion, bei der Physiker der National Ignition Facility (NIF) einen unerwarteten Energieüberschuss im Fusionsplasma beobachtet haben, und Tokamak-Anlagen. Diese Fusionsreaktoren haben gemeinsam, dass sie als Brennstoff schweren Wasserstoff (Deuterium) und Tritium verwenden.

Die Fusion von Deuterium und Tritium muss jedoch besonders komplex abgeschirmt werden, weil dabei große Mengen radioaktiven, energiereichen Neutronen freigesetzt werden. Hinzukommt, dass das Isotop Tritium auf der Erde nur in minimalen Mengen vorkommt. Die Wissenschaft geht davon aus, dass auf der Erde nur 20 Kilogramm des superschweren Wasserstoffs existieren. Tritium liegt deshalb in der Liste der zehn teuersten Substanzen der Welt auf dem fünften Platz. Für die Kernfusion muss Tritium deshalb entweder in den Fusionsreaktoren erzeugt oder aus radioaktivem Material gewonnen werden.

Bor als Alternative für Tritium

Alternativ könnte man statt Tritium auch Bor für die Fusion verwenden. Dieser alternative Brennstoff ist ein Halbmetall, das weder giftig noch radioaktiv ist und in der Natur in großen Mengen vorkommt. Laut R.M. Magee hat Bor überdies noch einen weiteren Vorteil.

„Die Fusionsreaktion mit Bor erzeugt zudem keine Neutronen, nur Helium in Form von drei Alphateilchen.“

Es wäre somit deutlich sicherer, einfacher und umweltfreundlicher, einen Fusionsreaktor mit Bor statt Tritium zu betreiben. Problematisch ist dabei aber, dass Wasserstoff-Bor-Plasma erst bei einer 30-mal höhere Temperaturen zündet als Deuterium-Tritium-Plasma. Es müssen also große physikalischen Hürden überwunden werden, um die sauberere Fusionstechnik zu realisieren.

„Das macht es zu einer Herausforderung, Reaktoren mit diesem Brennstoff so zu betreiben, dass die erzeugte Fusionsenergie größer ist als die für die Heizung hineingesteckte. Doch diese Hürden können überwunden werden.“

Kernfusion mit Bor ausgelöst

Laut einer Publikation im Fachmagazin Nature Communications ist es nun Forschern des Unternehmens TAE Technologies um Magee erstmals gelungen, in einem Magneteinschluss-Reaktor die Fusion von Wasser mit Bor im Plasma auszulösen und nachzuweisen. Sie verwendeten dafür das Large Helical Device (LHD), den weltweit nach Wendelstein 7-X zweitgrößten Stellarator. In ihrem Fusionsexperiment nutzten die Physiker winzige Borkörnchen, die sie in das Wasserstoffplasma des Fusionsreaktors gaben. Laut ihren Messungen sammelte sich dabei eine signifikante Menge Bor im Zentrum des Plasmas. Anschließend schossen sie mit mehreren Ionenstrahl-Injektoren energiereiche Protonen in das Fusionsplasma.

„Berechnungen sagen voraus, dass die im Experiment erreichten Bordichten und Ionenstrahl-Parameter zu einer Fusionsrate von rund 100 Milliarden pro Sekunde führen müssten, wenn alle drei Hochenergiestrahler gleichzeitig gefeuert werden.“

Ob die zuvor theoretisch ermittelten Werte tatsächlich erreicht werden, überprüften die Forscher mit Detektoren, die die Heliumkerne, die bei der Fusion von Protonen mit Bor entstehen, erkennen.

Alphadetektor erkennt Anstieg von Heliumkernen

Der Alphadetektor erkannte einen schnellen Anstieg von Heliumkernen im Plasma des LHD.

„Die Teilchenzahlen deuten auf eine Fusionsrate hin, die in guter Übereinstimmung mit den theoretischen Berechnungen steht. Dies ist der erste Nachweis einer Wasserstoff-Bor-Kernfusion in einem Magneteinschluss-Plasma.“

Laut Michl Binderbauer ist das Experiment ein großer Schritt in der Entwicklung von Fusionsreaktoren mit dem alternativen Brennstoff.

„Dieses Experiment liefert uns eine große Mengen an Daten, mit denen wir nun arbeiten können. Es zeigt, dass Wasserstoff-Bor-Brennstoff einen Platz auf dem Weg zur Fusionsenergie hat.“

Die Physiker sind zuversichtlich, dass in Zukunft Bor-Fusionsreaktoren eine saubere Energiequelle sein werden. Bis die Zündung des Plasmas erfolgt, ist aber noch viel Forschungsarbeit nötig.

Fusionsreaktor mit linearem Aufbau

Das Unternehmen TAE entwickelt bereits Fusionsreaktoren mit einem linearen Aufbau. Deren Field-Reversed Configuration (FRC) unterscheidet sich deutlich von Tokamaks und Stellaratoren. In ihnen wird das Fusionsplasma von einem toroidalen elektrischen und linearen Magnetfeldlinien in einem zylindrischen Reaktor gehalten. Es entsteht dadurch ein Ring aus freischwebendem Plasma.

Erste Experimente im Labormaßstab mit diesem Reaktortyp waren bereits erfolgreich. Nun sind größere Anlagen geplant. TAE möchte bis 2030 einen ersten Prototypen dieses Reaktortyps bauen. Dieser soll spätestens 2040 erstmals mehr Fusionsenergie freisetzen, als für seinen Betrieb investiert werden muss.

Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-023-36655-1

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