Robert Klatt
Physiker haben erstmals ein Doppelspaltexperiment mit zeitlichen statt räumlichen Schlitzen durchgeführt. Durch das Spreizen der Frequenzen des Lichtstrahls entstanden dabei Interferenzen im Farbspektrum.
London (England). In der Physik gehört das Doppelspaltexperiment mit zwei räumlichen Schlitzen zu den bekanntesten Experimente. Es wird dabei ein Strahl aus Atomen, Photonen oder Elektronen auf eine Blende mit zwei Schlitzen gerichtet. Ein Detektor hinter der Blende erkennt daraufhin ein Blende mit zwei Schlitzen aus dunklen und hellen Streifen, das zeigt, dass Teilchen Wellen sind, die sich auslöschen oder verstärken können.
Physiker des Imperial College London haben nun erstmals ein Doppelspaltexperiment in der Zeit statt im Raum durchgeführt. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature Physics passiert dabei ein Lichtstrahl nicht zwei nebeneinander liegende Schlitzen, sondern einen Schlitz, der innerhalb weniger hundert Femtosekunden geöffnet und geschlossen wird. Es entstehen dadurch zwei zeitlich getrennte Schlitze.
Um den Schlitz in wenigen hundert Femtosekunden öffnen und schließen zu können, verwendeten die Physiker das Halbleitermaterial Indiumzinnoxid (ITO). Dieses Material kann durch Zufuhr von Energie, beispielsweise durch kurze Laserpulse, seine Reflexion ändern und von einem stark reflektierenden, nahezu undurchlässigen Zustand in einen fast transparenten Zustand wechseln.
Die Wissenschaftler setzten das anfänglich transparente ITO einer Infrarotstrahlung mit einer Wellenlänge von 1.300 Nanometern aus, welche unter einem Einfallswinkel von 60 Grad auf das Material gerichtet war. Ein Detektor erfasste das Licht, das unter einem gegenüberliegenden Winkel von 60 Grad reflektiert wurde. Überwiegend wurde nur eine geringe Menge an Strahlung detektiert, da das Halbleitermaterial durchlässig ist. Lediglich während der beiden kurzen Phasen, die als Schlitzphasen bezeichnet werden, reflektierte das ITO die einfallende Strahlung.
Beim Doppelspaltexperiment mit räumlichen Schlitzen verändert sich die Verteilung der Strahlung. Das nun in der zeitlichen Dimension durchgeführte Doppelspaltexperiment veränderte hingegen ihre Frequenz, was dazu führt, dass das Licht in unterschiedliche Wellenlängen aufgefächert wird. Es trifft also Strahlung mit einem deutlich breiteren Frequenzbereich auf den Detektor.
„Der Test-Lichtstrahl wird spektral aufgeweitet und zeigt neue Frequenzen, die bis zu zehn Bandbreiten von der ursprünglichen Trägerfrequenz entfernt liegen.“
Der Doppelspalt in der zeitlichen Dimension verändert also die Farbe des Lichts und es entstehen unterschiedliche farbige Lichtwellen, die miteinander wechselwirken. Dabei verstärken die Interferenzen manche Wellenlängen, während andere gedämpft oder ausgelöscht werden. Am Detektor entsteht also kein Muster aus hellen und dunklen Bereichen, sondern eine Palette aus Frequenz-Oszillationen.
„Damit haben wir die zeitliche Version des klassischen Doppelspalexperiments durchgeführt. Ein zweimal durch eine zeitliche Blende geleiteter Lichtstrahl erzeugt dabei eine Interferenz im Frequenzspektrum.“
Laut den Messungen verändert der zeitliche Doppelspalt die Breite der interferierenden Frequenz-Oszillationen. Welche Interferenzbänder sichtbar sind, wird durch die Form der Zeitschlitze bestimmt.
„Unser Experiment enthüllt damit mehr über die fundamentale Natur des Lichts. Gleichzeitig kann es als Sprungbrett für die Entwicklung von Materialien dienen, die das Licht in Raum und Zeit kontrollieren.“
Nature Physics, doi: 10.1038/s41567-023-01993-w