Robert Klatt
Ein Gutachten das Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zeigt, dass bis 2045 ein betriebsfähiges Fusionskraftwerke gebaut werden kann. Deutschland hat dank des bereits bestehenden Know-hows dabei die Chance, eine internationale Spitzenposition einzunehmen.
Berlin (Deutschland). Bisher gibt es keine funktionierenden Fusionskraftwerke, obwohl die Wissenschaft global mit Hochdruck daran arbeitet. Das Unternehmen Helion Energy, zu dessen Kunden bereits der Konzern Microsoft gehört, hat kürzlich angekündigt, bis 2028 ein kommerzielles Fusionskraftwerk in Betrieb nehmen zu wollen. Ein internationales Expertengremium hat nun im Auftrag der Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) untersucht, bis wann die Entwicklung eines Fusionskraftwerks realistisch möglich sind.
Laut dem Expertengremium, das aus Prof. Dr. Constantin Häfner vom Fraunhofer ILT, Prof. Dr. Robert Stieglitz vom Karlsruher Institut für Technologie, Prof. Dr. Hartmut Zohm vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Dr. Neil Alexander vom US-Unternehmen General Atomics, Prof. Dr. Riccardo Betti von der University of Rochester, Dr. Omar Hurricane und Dr. Tammy Ma der National Ignition Facility am LLNL bestand, stehen in der Kernfusion signifikante Fortschritte bevor, die bis 2045 zu einem einsatzbereiten Fusionsreaktor führen könnten. Durch umfangreiche Investitionen in Forschung und Entwicklung, gekoppelt mit globaler Zusammenarbeit, könnte sogar eine Demonstrations-Einrichtung für Trägheitsfusion innerhalb dieser Frist verwirklicht werden. Technologische Meilensteine, die für ein solches Zukunftsprojekt von Bedeutung sind, könnten innerhalb eines Zeitrahmens von einer bis zwei Dekaden erreicht werden.
Die Experten haben sich für ihr Gutachten auf die lasergetriebenen Trägheitsfusion fokussiert, weil dies bisher die einzige Ansatz in der Kernfusionsforschung, bei dem die Zündung eines Plasmas gelungen ist. Laut der Publikation des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) hat die Trägheitsfusion zudem zusätzliche technologische Vorzüge, die eine enorme wirtschaftliche Dynamik versprechen. Obwohl noch einige wissenschaftliche Herausforderungen zu bewältigen sind, besteht für Deutschland eine bemerkenswerte Möglichkeit, Spitzentechnologien zur Förderung einer sauberen, stabilen und zukunftsfähigen Energiequelle zu entwickeln und zu fördern.
Jetzt sei der Moment gekommen, die Bemühungen in Forschung und Entwicklung zu intensivieren, um die Machbarkeit, Technik, das Design und den Betrieb eines Fusionsreaktors zu prüfen. Bislang wurden die Forschungsaktivitäten in Richtung Trägheitsfusion nur in begrenztem Maße durchgeführt, ein Zustand, der sich jetzt ändern müsse, so der Bericht. Es sei ebenfalls erforderlich, eine kommerzielle Strategie, Lieferketten und das Produktionstechnikwesen zu entwickeln.
Praktisch gesprochen bedeutet dies die Einrichtung eines wissenschaftlichen Programms zur Ausbildung der kommenden Wissenschaftlergeneration. Es sei wichtig, eine zugängliche Forschungsinfrastruktur für Wissenschaft und Industrie zu schaffen, innovative Unternehmen einzubinden und internationale Koordination auf Regierungsebene zu fördern, um Synergien zu nutzen und unnötige Überschneidungen zu vermeiden.
Trotzdem müssen noch einige Hürden genommen werden, bevor eine kommerzielle Nutzung in Betracht gezogen werden kann, merkt das Expertengremium an. Dazu gehören das Verständnis für brennende Plasmen, die Entwicklung von Lasersystemen und geeigneten Zielmaterialien, die Produktion von Materialien, die den Bedingungen einer Fusion standhalten können, sowie die Lösung komplexer technischer Probleme.
Die Experten unterstreichen bereits existierende Fachkenntnisse in Deutschland, die bei der Umsetzung der Trägheitsfusion von Vorteil wären. Dabei beziehen sie sich neben der Lasertechnologie auch auf die Target-Fertigung. Deutschland könnte aufgrund seiner Fähigkeiten in der Produktion von sphärischen Kapseln mit Schaumstoffauskleidung, der Metallverarbeitung und zugehörigen Testmethoden zur Spitze in der Target-Entwicklung aufsteigen.
Zudem verfügt Deutschland über bedeutende Erfahrung im Umgang mit Materialien, ein wichtiger Aspekt, da die Materialien nach der Plasmazündung und Energieabgabe hinsichtlich Struktur, Funktion und Abschirmung die größten Herausforderungen darstellen würden für ein zukünftiges Fusionskraftwerk.
Die Expertise Deutschlands in Bezug auf Fusionsplasmen wird allerdings als weniger ausgeprägt eingeschätzt. Dennoch gibt es im Land umfangreiche Kenntnisse in den Bereichen Künstliche Intelligenz (KI) und Hochleistungsrechnen (HPC), welche zur Entwicklung von Simulationscodes genutzt werden könnten, die verschiedene Aspekte wie Multi-Physik, Multi-Fidelity und Multi-Systemmodelle integrieren.