Robert Klatt
Hydrogele sind normalerweise sehr elastisch und weich. Nun haben Wissenschaftler ein Hydrogel entwickelt, das sich bei hohem Druck nicht verformt, sondern so hart wie Glas wird.
Cambridge (England). Hydrogele können große Mengen Wasser binden, sind aber selbst nicht wasserlöslich. Sie bestehen aus vernetzten Polymeren, deren Eigenschaften durch Anpassungen der Querverbindungen vielfältig angepasst werden können. In der Natur nutzen Hydrogele unter anderem Schnecken und Quallen, die fast vollständig aus diesem Material bestehen. Inzwischen hat aber auch die Wissenschaft die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten von Hydrogelen erkannt. Sie werden unter anderem in der Medizin zum Verschluss von Darmwunden oder zur Behandlung von Hautverletzungen ohne Narben, aber auch als Unterwasserkleber verwendet.
Nun haben Wissenschaftler der University of Cambridge ein Hydrogel entwickelt, das sich bei hohem Druck nicht verformt, sondern dabei so hart wie Glas wird. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature Materials beobachteten die Forscher um Zehuan Huang, dass Crosslinker (Querverbindungen) bei den meisten Hydrogelen sehr leicht nachgeben, weil die meistens auf nicht-kovalenten Bindungen wie Wasserstoffbrücken beruhen.
„Wir vermuten, dass die Verlängerung der Haltbarkeit dieser Crosslinker es erlaubt, supramolekulare Polymernetzwerke zu erzeugen, die sich wie glasartige Materialien verhalten“, erklärt Huang. Sie entwickelten deshalb ein Hydrogel, bei dem die Querverbindungen aus Cucurbiturilen bestehen. Dies sind käfigartigen organischen Molekülen, die die gegenüberliegenden Crosslinker stärker miteinander verbinden. Die Crosslinker reagieren dadurch nur auf langsam auf auseinanderziehende Kräfte.
Hydrogel übersteht hohen Druck
Wie stark das neuentwickelte Hydrogel belastet werden kann, zeigen Laborexperimente und das Überfahren mit einem 1,2 Tonnen schweren Auto. Das Hydrogel hält demnach Drücken von mehr als einem Gigapascal stand. Das ist zehntausendmal höher als der atmosphärische Druck auf der Erde. Anstatt sich zu verformen und dabei zerquetscht zu werden, wurde das neue Hydrogel unter der hohen Belastung hart wie Glas. „Die Art, wie das Hydrogel der Kompression standhielt, war überraschend – so etwas hatten wir in Hydrogelen zuvor noch nicht gesehen“, erklärt Jade McCune.
„Unseres Wissens nach ist das das erste Mal, dass glasartige Hydrogele hergestellt wurden. Damit eröffnen wir ein neues Kapitel im Gebiet der Hochleistungs-Gele“, konstatiert Huang. Die Entwickler sind der Ansicht, dass es für das neue Hydrogel viele praktische Einsatzmöglichkeiten gibt.
„Die Leuten haben Jahre damit verbracht, gummiartige Hydrogele zu machen, aber das war nur die Hälfte des Bildes. Wir haben nun eine neue Klasse von Materialien entwickelt, die die gesamte Spanne von gummiweich bis glashart abdecken kann“, erklärt Oren Scherman. Wie hart das Gel unter Druck wird, können die Wissenschaftler über die Modifizierung der Crosslinker-Enden genau kontrollieren.
Nature Materials, doi: 10.1038/s41563-021-01124-x