Robert Klatt
Eine Künstliche Intelligenz (KI), die Tearing-Mode-Instabilitäten vorhersehen kann, kann das empfindliche Fusionsplasma stabilisieren und dadurch verhindern, dass die Fusionsreaktion abbricht
Princeton (U.S.A.). Um die Kernfusion auszulösen, erhitzen Fusionsreaktoren Wasserstoffatome auf etwa 100 Millionen Grad Celsius. Die Atome verschmelzen dadurch wie in einem Stern und es wird Energie freigesetzt. Weil kein Material der Welt der Temperatur des Plasmas standhalten kann, muss es bei der Kernfusion von starken Magneten in seiner schwebenden Position gehalten werden. Wenn das Plasma das Magnetfeld verlässt, endet die Fusionsreaktion.
Wissenschaftler der Princeton University haben laut einer Publikation im Fachmagazin Nature nun eine Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt, die sogenannte Tearing-Mode-Instabilitäten 300 Millisekunden (0,3 Sekunden) vor ihrem Auftreten prognostizieren kann. Es ist dadurch möglich, Gegenmaßnahmen einzuleiten, die verhindern, dass das Plasma das Magnetfeld verlässt und die Fusionsreaktion abbricht.
Die KI haben die Forscher mit Daten aus realen Fusionsreaktion und unterschiedlichen simulierten Plasmazuständen trainiert. Laut Azarakhsh Jalalvand ähnelt das Vorgehen dem Training eines neuen Piloten.
„Man würde niemandem etwas beibringen, indem man ihm den Schlüssel in die Hand drückt und sagt, er soll sein Bestes geben. Stattdessen lässt man ihn an einem sehr komplizierten Flugsimulator üben, bis er genug gelernt hat, um das echte Ding auszuprobieren.“
Laut den Forschern muss die KI nicht die komplette Physik der Kernfusion verstehen, sondern nur das Ziel erreichen, das Fusionsplasma möglichst lange zu stabilisieren. Dazu kann die KI unterschiedliche physikalische Parameter beeinflussen, mit denen der Plasmazustand kontrolliert werden kann, darunter etwa die Stärke der Strahlung beim Aufheizen der Atome und die Form des Fusionsplasmas.
Um die Fähigkeiten ihrer KI zu überprüfen, haben die Forscher Experimente mit dem realen Fusionsreaktor DIII-D-Tokamak durchgeführt. Laut Jaemin Seo konnten sie dabei vielversprechende Daten sammeln.
„Wir haben starke Hinweise darauf, dass das Programm bei DIII-D recht gut funktioniert, aber wir brauchen mehr Daten, um zu zeigen, dass die KI in verschiedenen Situationen funktionieren kann.“
Wie die Forscher erklären, hilft die KI nicht nur dabei, stabilere Reaktionen in den Fusionsreaktoren zu erreichen, sondern liefert auch neues Wissen zu den dabei ablaufenden Prozessen.
Nature, doi: 10.1038/s41586-024-07024-9