Robert Klatt
Die „starke Kernkraft“ gilt als fundamentalste der vier Grundkräfte, wurde bisher aber nicht genau gemessen. Experimente im Large Hadron Collider (LHC) am CERN offenbaren nun neue Details zum Schlüsselparameter des Standardmodells.
Meyrin (Schweiz). Die starke Wechselwirkung, auch bekannt als „starke Kernkraft“ wird in der Physik auch als „Kleber aller Materie“ bezeichnet, weil im Atomkern die Protonen und Neutronen zusammenhält. Obwohl die starke Kernkraft womöglich die fundamentalste der vier Grundkräfte ist, ist laut Stefano Camarda von der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) bisher nur wenig über sie bekannt.
„Obwohl die Stärke der starken Kernkraft ein Schlüsselparameter des Standardmodells ist, ist sie nur bis auf ein Prozent genau gemessen. Die weit schwächere elektromagnetische Grundkraft kennen wir dagegen bis auf ein Milliardstel genau.“
Laut einer Publikation auf dem Preprint-Server arXiv haben Forscher der ATLAS-Kollaboration deshalb neue Messungen der Kopplungskonstante der starken Kernkraft durchgeführt. Hierzu analysierten sie Kollisionen von Protonen im Large Hadron Collider (LHC) am CERN, die mit einer Energie von acht Teraelektronenvolt kollidierten. Als Folge dieser Zusammenstöße werden Z-Bosonen erzeugt, elementare Partikel, die sich bilden, wenn zwei Quarks einander annihilieren.
Bei diesem Prozess werden Gluonen freigesetzt, deren Abstrahlung den Z-Bosonen einen lateralen Impuls verleiht. Dieser seitliche Impuls, der senkrecht zur ursprünglichen Kollisionsachse steht, kann im ATLAS-Detektor des LHC detektiert werden. Die Intensität dieses lateralen Impulses korreliert direkt mit der Intensität der starken Kernkraft, wodurch über den Drell-Yan-Prozess die Kopplungskonstante der besagten Grundkraft bestimmt werden kann.
Das erzielte Resultat stellt die bislang präziseste Bestimmung der Kopplungskonstante und somit der Intensität der starken Kernkraft dar. Die Wissenschaftler ermittelten einen Wert von 0,1183 ± 0,0009, wobei die Messabweichungen bei etwa 0,8 Prozent liegen. Wie das Forschungsteam hervorhebt, handelt es sich dabei um die bislang genaueste experimentelle Erfassung. Der festgestellte Wert und seine Genauigkeit entsprechen nach ihrer Einschätzung den aktuell besten theoretischen Schätzungen.
„Das wir die Kopplungsstärke der starken Kernkraft bis auf das 0,8-Prozent-Niveau hinunter eingrenzen konnten, ist eine spektakuläre Errungenschaft.“
arXiv, doi: 10.48550/arXiv.2309.12986