Robert Klatt
Neutrinos sind laut neuen Messungen 500.000-mal leichter als ein Elektron. In Zukunft soll das KATRIN-Experiment in Karlsruhe ihr Gewicht noch weiter eingrenzen und so helfen grundlegende Fragen der Teilchenphysik zu beantworten.
Karlsruhe (Deutschland). Neutrinos, die in der Physik auch als Geisterteilchen bekannt sind, gehören zu den häufigsten Elementarteilchen des Universums. Da Neutrinos kaum mit anderer Materie wechselwirken ist die Wissenschaft lange davon ausgegangen, dass diese Elementarteilchen keine Masse besitzen. Verschiedene Forschungseinrichtungen wie das IceCube-Neutrino-Observatorium und der Borexino Detektor des Laboratori Nazionali del Gran Sasso (LNGS) haben inzwischen aber belegt, dass es unterschiedliche Neutrinos gibt und dass diese eine Masse besitzen.
Der bisherige Forschungsstand hat die Masse der Geisterteilchen zwischen 0,02 und 2 Elektronenvolt eingegrenzt. Nun wurde mit dem Karlsruhe Tritium Neutrino Experiment (KATRIN) unter Leitung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und unter Beteilgung der University of Washington belegt, dass die Masse eines Neutrinos kleiner als 1 Elektronenvolt ist. Hamish Robertson von der University of Washington erklärt, dass „wenn man die Masse der Neutrinos wüsste, grundlegende Fragen in der Kosmologie, der Astrophysik und der Teilchenphysik beantworten könnte.“
Bestimmt haben die Physiker des KATRIN-Experiments die Masse des Neutrinos indirekt. Dazu wurde radioaktives Tritiumgas verwendet, das beim Betazerfall eine Gesamtenergie von 18.600 Elektronenvolt freisetzt, die sich auf ein Elektron und ein Neutrino verteilt. Teilweise kommt es beim Zerfallsprozess dazu, dass das Neutrino nur in etwa seinen Ruhemasseanteil erhält. KATRIN kann so zwar nicht direkt die Masse des Geisterteilchens messen, aber über die verbleibende Restmasse des Elektrons mit von Einstein entwickelten Formel E=mc² ermitteln wie viel Energie fehlt und daraus die Masse des Neutrinos indirekt bestimmen.
Obwohl das KATRIN-Experiment erst seit wenigen Wochen genutzt wird, ist es den Physiker bereits gelungen Daten von etwa zwei Millionen Elektronen aufzuzeichnen. Die Masse des Neutrinos konnte so von zuvor bis zu zwei Elektronenvolt auf bis zu ein Elektronenvolt halbiert werden. Dies bedeutet, dass ein Neutrino mindestens 500.00-mal leichter ist als ein Elektron.
Guido Drexlin vom KIT und Christian Weinheimer von der ebenfalls am KATRIN-Experiment beteiligten Universität Münster konstatieren, dass „KATRIN nach einer Messkampagne von nur wenigen Wochen bereits die weltbeste Sensitivität für die Neutrinomasse besitzt und die mehrjährigen Messungen der Vorgängerexperimente um den Faktor zwei verbessert, was das außerordentlich hohe Potential des Projekts zeigt.“
Weitere Messreihen sollen in Zukunft die Neutrinomasse noch deutlich eingrenzen. Die Wissenschaftler erhoffen sich daraus Rückschlüsse darauf, ob Neutrinos möglicherweise die Dunkle Materie bilden oder es sie für physikalische Prozesse verantwortlich sind, die das derzeitige Standardmodell nicht abbilden kann.