Robert Klatt
Mayonnaise besitzt ähnliche Eigenschaften wie Plasma. Das Lebensmittel soll deshalb dabei helfen, die Rayleigh-Taylor-Instabilität, ein zentrales Problem der laserbasierten Trägheitsfusion, zu lösen.
Bethlehem (U.S.A.). Die laserbasierte Kernfusion nutzt als Brennstoff die Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium, die in kleine Kapseln eingeschlossen sind. Die winzigen Kapseln werden in einer Vakuumkammer mit Lasern beschossen. Es kommt dadurch in kürzester Zeit zu Temperaturen von mehreren Millionen Grad Celsius und einem Druck im Gigapascalbereich. Diese extremen Bedingungen führen dazu, dass die Kapseln schmelzen und Plasma bilden, den Materiezustand, der bei der Kernfusion die Energie erzeugt.
Wie Arindam Banerjee von der Lehigh University erklärt, kommt es im Plasma jedoch oft zu Instabilitäten, die in der Physik als Rayleigh-Taylor-Instabilität bekannt sind. Die Rayleigh-Taylor-Instabilität bekannt entsteht bei Materialien mit unterschiedlicher Dichte, wenn die Dichte- und Druckgradienten in entgegengesetzte Richtungen verlaufen.
„In diesen extremen Bedingungen sprechen wir von Millionen Grad Kelvin und Drücken in der Größenordnung von Gigapascal, um die Bedingungen in der Sonne zu simulieren. Eines der Hauptprobleme bei diesem Prozess ist, dass der Plasmazustand hydrodynamische Instabilitäten bildet, die den Energieertrag verringern können.“
Die Forscher um Banerjee untersuchen bereits seit 2019 die Rayleigh-Taylor-Instabilität. Nun haben sie bekannt gegeben, dass bei der weiteren Forschung Mayonnaise helfen soll. Mayonnaise eignet sich laut den Wissenschaftlern für die Erforschung der laserbasierten Trägheitsfusion, weil diese sich wie ein Feststoff verhält, aber bei einem Druckgradienten fließt. Die Mayonnaise verhält sich also ähnlich wie Fusionsplasma, benötigt aber keine hohen Temperaturen und keinen hohen Druck und kann deshalb leichter für Experimente verwendet werden.
„Wir arbeiten immer noch an demselben Problem, nämlich der strukturellen Integrität von Fusionskapseln, die in der Trägheitsfusion verwendet werden. Hellmann’s Real Mayonnaise hilft uns dabei weiterhin, Lösungen zu finden.“
Um Experimente mit der Mayonnaise durchführen zu können, nutzen die Physiker eine spezielle Rotationsvorrichtung. Diese verursacht turbulente Vermischungen, die den Fließbedingungen des Plasmas ähneln.
In den bisherigen Experimenten haben die Forscher ermittelt, dass Mayonnaise mehrere Phasen durchläuft, bevor sie in der Rotationsvorrichtung instabil wird. Der Übergang zwischen der elastischen und der stabilen plastischen Phase ist entscheidend für das Verständnis der Rayleigh-Taylor-Instabilität.
„Ähnlich wie bei einem traditionellen Schmelzmetall beginnt Mayonnaise sich zu verformen, wenn man sie belastet. Entfernt man den Stress, kehrt sie in ihre ursprüngliche Form zurück. Es gibt also eine elastische Phase, gefolgt von einer stabilen plastischen Phase. Die nächste Phase beginnt, wenn die Mayonnaise zu fließen anfängt – und genau dann setzt die Instabilität ein.“
Die Forscher wollen aus dem Wissen über den Zustand, indem die plastische Deformation auftritt, Wissen darüber erlangen, wenn es im Plasma zur Rayleigh-Taylor-Instabilität kommt. Das Wissen darüber, wann die Rayleigh-Taylor-Instabilität auftritt, soll dabei helfen, den Zustand des Plasmas so zu kontrollieren, dass dieser elastisch oder stabil bleibt.
Laut der Publikation im Fachmagazin Physical Review E haben die Forscher zudem die Materialeigenschaften, die Amplitude und Wellenlänge sowie die Beschleunigungsrate der Materialien, die die Rayleigh-Taylor-Instabilität durchlaufen, untersucht. Dieses Wissen soll dabei helfen, neue Kapseln zu designen, die nicht instabil werden.
„Wir haben die Übergangskriterien zwischen den Phasen der Rayleigh-Taylor-Instabilität untersucht und analysiert, wie diese das Wachstum der Störungen in den folgenden Phasen beeinflussen. Wir haben die Bedingungen gefunden, unter denen eine elastische Erholung möglich war und wie diese maximiert werden kann, um die Instabilität zu verzögern oder vollständig zu unterdrücken. Die experimentellen Daten, die wir präsentieren, sind auch die ersten Erholungsmessungen in der Literatur.“
Noch ist offen, ob die mit der Mayonnaise erlangten Ergebnisse sich tatsächlich auf Fusionskapseln übertragen lassen, weil deren physikalische Eigenschaften zwar denen von weichen Feststoffen ähneln, aber nicht komplett mit ihnen übereinstimmen.
„In dieser Arbeit haben wir unsere Daten dimensionslos gemacht, in der Hoffnung, dass das von uns vorhergesagte Verhalten diese Größenordnungen übersteigt. Wir versuchen, die Vorhersagbarkeit dessen zu verbessern, was mit diesen geschmolzenen, hochtemperatur- und hochdruckbeständigen Plasmakapseln passieren würde, indem wir analoge Experimente mit Mayonnaise in einer rotierenden Vorrichtung durchführen.“
Physical Review E, doi: 10.1103/PhysRevE.109.055103