Neutralen Pseudoteilchen

Physiker bestätigen Pines‘ Dämon-Phänomen nach 67 Jahren

Robert Klatt

In Metallen, die über mehrere Leitungsbänder verfügen, können "Dämonen" auftreten – eine Art masseloser und neutraler Plasmon-Oberflächenwelle. )ngiapmahC-anabrU sionillI fo ytisrevinU eht ta gnireenignE fo egelloC regniarG(Foto: © 

Das bereits 1956 postulierte Pines‘ Dämon-Phänomen ist ein Zustand, der entsteht, wenn Elektronen eines Metalls ein neutrales, masseloses Plasmon bilden. Nun wurde die Sonderform der Plasmonen erstmals experimentell nachgewiesen.

Urbana (U.S.A.). Wenn man Metallen Energie zuführt, können sich auf der Oberfläche quantisierte Schwankungen der Ladungsträgerdichte (Plasmonen) bilden. Diese entstehen durch Dichteschwankungen der Elektronen, die virtuelle Teilchen mit neuer Ladung und Masse produzieren.

Der Physiker David Pines prognostizierte laut einer Publikation im Physical Review Journal jedoch 1956 das sogenannte Pines‘ Dämon-Phänomen, bei dem die Plasmonen so interagieren, dass ein masseloser Plasmon ohne Ladung entsteht. Laut Ali Husain von der University of Illinois (UIUC) entspricht dieser „Dämon“ einem kollektiven Zustand von neutralen Pseudoteilchen.

„Diese neue kollektive Zustand entsteht, wenn Elektronen verschiedener Bänder nicht mit derselben Phase schwingen. Man kann sich einen Dämon als kollektiven Zustand von neutralen Pseudoteilchen. vorstellen, deren Ladung durch die Elektronen eines anderen Bands verdeckt wird.“

Zudem kann ein solcher „Dämon“ im Gegensatz zu herkömmlichen Plasmonen bereits bei Raumtemperatur entstehen und interagiert nicht mit Licht.

Nachweis von Pines‘ Dämon-Phänomen

Die Physik kann das Pines‘ Dämon-Phänomen experimentell nur schwer nachweisen, weil es nicht auf Licht reagiert und elektrisch neutral ist. Laut Husain belang die experimentelle Bestätigung deshalb 67 Jahre nicht.

„Obwohl Pines Dämon breit theoretisch diskutiert wurde, gibt es auch 67 Jahre nach seiner Vorhersage keine experimentelle Bestätigung.“

Laut Peter Abbamonte gelang es den Physikern der UIUC nun durch einen Zufall das Pines‘ Dämon-Phänomen experimentell zu belegen.

„Wir haben gar nicht gezielt danach gesucht, aber wie sich zeigt, haben wir genau das Richtige getan, um ihn aufzuspüren.“

Experimente mit der Metallverbindung Strontiumruthenat

Laut einer Publikation im Fachmagazin Nature haben die Wissenschaftler Experimente mit der Metallverbindung Strontiumruthenat durchgeführt. Diese Verbindung besitzt drei Leitungsbändern und ähnelt einem Supraleiter, ist aber keiner. In der Forschung gilt Strontiumruthenat bereits seit Längerem als Kandidat für das Pines‘ Dämon-Phänomen.

Die Forscher verwendeten für ihre Experimente die impulsaufgelöste Elektronen-Energieverlust-Spektroskopie (EELS), bei der das Untersuchungsmaterial mit einem Elektronenstrahl beschossen wird. Ein präzises Spektrometer detektiert dabei den Energieverlust. Dadurch kann man auf die Wechselwirkungen im Material und die Existenz von Plasmonen schließen. Laut den Messdaten kam es im Strontiumruthenat zu einer plasmonartigen Reaktion, die zwischen zwei Leitungsbändern des Materials lag.

„Wir hatten zunächst keine Ahnung, worum es sich handeln könnte, denn die Dämonen sind nicht gerade Mainstream. Aber je mehr Sachen wir ausschließen konnten, desto stärker wuchs der Verdacht, dass es sich um Pines‘ Dämon handeln könnte.“

Zusätzliche Berechnungen belegen Pines‘ Dämon-Phänomen

Laut Edwin Huang führten die Physiker weitere Berechnungen durch, um zu prüfen, wie im Strontiumruthenat das Pines‘ Dämon-Phänomen entstehen könnte.

„Das Pseudo-Partikel entsteht, wenn zwei der Leitungsbänder im Strontiumruthenat phasenverschoben, aber mit nahezu gleicher Magnitude oszillieren – genau wie es Pines beschrieben hat.“

Es ist den Forscher damit gelungen, das Pines‘ Dämon-Phänomen nach 67 Jahren erstmals in einem Experiment nachzuweisen.

 „Unsere Studie bestätigt die 67 Jahre alte Vorhersage und deutet darauf hin, dass solche Dämonen ein häufiges Phänomen in Multiband-Metallen sein könnten.“

Physical Review Journal, doi: 10.1103/PhysRev.109.741

Nature, doi: 10.1038/s41586-023-06318-8

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