Robert Klatt
Flüssiges Eiweiß stockt bei 80 Grad Celsius. Röntgenpulse der Synchrotronquelle Petra III zeigen nun erstmals den dafür verantwortlichen Prozess im Detail.
Hamburg (Deutschland) Tübingen (Deutschland). Flüssiges Eiweiß wird, egal ob in der Pfanne oder im Wasserbad, bei Temperaturen von mehr als 80 Grad Celsius zu einer flexiblen weißen Masse. Ausgelöst wird dieser Prozess durch die Eiweißmoleküle, die sich unter Hitze erst entfalten und dann miteinander vernetzen.
Wissenschaftler der Universität Tübingen um Nafisa Begam haben nun untersucht, wie sich die Proteinnetzwerke im Detail ausbilden. Dazu nutzten sie laut ihrer Veröffentlichung in den Physical Review Letters frisches Hühnereiweiß, das sie in eine Quarzglas-Küvette mit anderthalb Millimeter Durchmesser füllten.
Anschließend erhitzten sie die Probe auf 80 Grad Celsius und verfolgten mithilfe von Röntgenpulsen der Synchrotronquelle Petra III in Hamburg die Bildung der Proteinnetzwerke. Es handelt sich dabei um eine der leistungsstärksten Röntgenlichtquellen der Welt.
Helmut Dosch, Vorsitzender des DESY-Direktoriums: „Mit PETRA III nimmt DESY eine weitere Röntgenlichtquelle für die Forschung in Betrieb, die weltweit ihresgleichen sucht. Damit werden wir den Wissenschaftlern Synchrotronstrahlen höchster Brillanz bieten und so neue Maßstäbe in der Forschung mit Photonen setzen.“
Die Dynamik der winzigen Netzwerkstrukturen konnten die Physiker sowohl über die Methode der Röntgen-Photon-Korrelationsspektroskopie als auch über die Streuung der Röntgenstrahlung rund eine Viertelstunde beobachten.
Die Daten zeigen, dass sich in den ersten drei Minuten die Proteinketten des flüssigen Eiweiß zu einem fraktalartigen Netzwerk verbinden. Laut der Analyse liegt die mittlere Maschenweite dieses Netzwerks bei nur 400 Nanometern. Während der ersten Phase kommt es überdies zu einer exponentiellen Ausbreitung der Netzwerkstrukturen. Danach stagniert die Vernetzung und es entstehen bei gleichbleibenden 80 Grad Celsius keine zusätzlichen Strukturen im bereits vollständig gestockten Eiweiß.
Laut den Wissenschaftlern hat diese Eiweiß-Studie das Potenzial zur Verbesserung von Modellen, die weiches Material beschreiben, beizutragen. Außerdem sehen die Forscher Nutzungsmöglichkeiten in der Lebensmittelindustrie, die durch das neue Wissen ihre Prozesse bei der Nutzung von Hühnereiweiß verbessern kann.
Physical Review Letters, doi: 10.1103/PhysRevLett.126.098001