Robert Klatt
Eine künstliche Zunge ermöglicht objektive Messungen des Essgefühls. Diese zeigen, dass der Fettanteil von Schokolade für den zart schmelzenden Genuss entscheidend ist. In Zukunft sollen die Erkenntnisse dabei helfen, fettärmere Schokolade mit einem guten Essgefühl zu entwickeln.
Leeds (England). Deutsche konsumieren laut einer Schätzung des Branchenverbands im Mittel 9,56 Kilogramm Schokolade jährlich. Die beliebteste Süßigkeit des Landes wird nicht nur aufgrund ihres Geschmacks, sondern auch wegen des angenehmen Essgefühls beim Schmelzen im Mund geschätzt. Lebensmittelforscher der University of Leeds haben nun eine Methode entwickelt, die das subjektive Empfinden des Essgefühls messbar macht.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin ACS Applied Materials & Interfaces konstruierten die Forscher eine künstliche Zunge aus dem flexiblen Silikonkunststoff Polydimethylsiloxan, in die sie mit einem 3D-Druckverfahren feine Strukturen der natürlichen Geschmackssensoren integrierten. Die etwa fünf Zentimeter breite und vier Millimeter dicke Silikonzunge enthält 200 winzige Zylinder und 20 Minikugeln, die zufällig über die Zungenoberfläche verteilt sind. Diese nur 250 bis 500 Mikrometer hohen Strukturen bilden die Geschmackspapillen des Menschen nach.
Um mit der künstlichen Zunge den Schmelzprozess von Schokolade zu untersuchten, wurde diese wiederholt über ein Stück Schokolade gestrichen. Dabei wurden die Reibungskräfte mit einem Triborheometer präzise erfasst. Dies ermöglichte eine genauere Analyse der drei verschiedenen Phasen beim Verzehr von Schokolade: das Lecken eines festen Stücks, die Empfindung auf der Zunge während des Schmelzens und schließlich das Schlucken der flüssigen Mischung aus Schokolade und Speichel.
Die Wissenschaftler führten ihre Untersuchungen mit dunkler Schokolade mit unterschiedlichen Fettgehalten durch und verzichteten bewusst auf süßere Vollmilchschokolade, um mögliche Verfälschungen der Messwerte durch höhere Milchanteile auszuschließen. Die Ergebnisse zeigten, dass in den ersten beiden Phasen Lecken und Kauen das angenehme, seidige Gefühl mit einem höheren Fettgehalt zunahm. Beim Schlucken der flüssigen Mischung aus Speichel und Schokolade verringerte sich jedoch die Glitschigkeit bei höheren Fettgehalten. Verantwortlich dafür ist die Bildung von winzigen Tropfen mit einem Durchmesser von etwa 200 Mikrometern.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen tragen nicht nur zum Verständnis des Schokoladenverzehrs bei, sondern könnten auch zur Entwicklung neuer Schokoladensorten beitragen. So wäre es möglich, Varianten mit reduziertem Fettgehalt zu kreieren, die lediglich an der Oberfläche einen erhöhten Fettanteil aufweisen. Auf diese Weise könnten Konsumenten das geschmeidige Schmelzerlebnis beibehalten, während gleichzeitig die Fettaufnahme im Körper reduziert wird.
ACS Applied Materials & Interfaces, doi: 10.1021/acsami.2c13017