Robert Klatt
Ein Experiment zeigt erstmals, dass Metalle Selbstheilungskräfte besitzen, die kleine Risse ohne menschliches Zutun schließen können. Die Entdeckung könnte selbstheilende Metalle ermöglichen, bei denen keine Ermüdungsschäden im Nanomaßstab mehr entstehen.
Albuquerque (U.S.A.). Forscher der Texas A&M University (TAMU) um Michael Demkowicz haben laut einer Publikation in den Physical Review Letters vor rund zehn Jahren Selbstheilungskräften bei Metallen vorhergesagt. Simulationen zeigten damals, dass sich beim Auseinanderziehen des Materials dessen metallische Korngrenzen verändern, was dazu führt, dass sich feine Risse wieder schließen. Experimentell nachweisen konnte das Team um Demkowicz diese Selbstheilung aber nicht.
Nun ist es Wissenschaftler des Sandia National Laboratories (SNL) um den Materialwissenschaftler Brad Boyce erstmals gelungen, die Selbstheilungskräfte in einem Experiment zu beobachten. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature schmolzen in dem Experiment in nanokristallinen Kupfer- und Platinfolien kleinste Risse ohne Zutun wieder zusammen.
In ihrem Experiment nutzten die Physiker eine Maschine, die rund 200-mal pro Sekunde an den Metallstücken gezogen hat. Es kam dadurch schnell zu kleinen Rissen. Nach etwa 40 Minuten verschwanden diese Risse in den nanokristallinen Strukturen aber wieder ohne menschliches Zutun.
Obwohl bisher lediglich bei Platin und Kupfer eine solche Heilungsfähigkeit experimentell festgestellt wurde, deuten Modelle darauf hin, dass diese Regenerationsmechanismen auch in anderen Metallen auftreten könnten. Es ist somit denkbar, dass auch Legierungen wie Stahl Selbstheilungskräften besitzen könnten.
„Angesichts dieses neuen Wissens lassen sich möglicherweise Werkstoffe entwickeln, die so beschaffen sind, dass sie dieses Verhalten gezielt ausnutzen.“
Ermüdungsschäden, etwa bei Brücken und Flugzeugen, erzeugen jährlich Kosten im Milliardenbereich. Sie sind oft schwer zu erkennen und lassen sich kaum reparieren. Bisher ging die Physik davon aus, dass die mikroskopisch kleinen Risse an den Korngrenzen irreversibel sind. Die nun publizierte Studie belegt das Gegenteil.
„Wir konnten in unserem Experiment dagegen zeigen, dass Metalle ihre eigene, natürliche Fähigkeit haben, sich selbst zu heilen, zumindest im Fall von Ermüdungsschäden im Nanomaßstab. Angesichts dieses neuen Wissens lassen sich möglicherweise Werkstoffe entwickeln, die so beschaffen sind, dass sie dieses Verhalten gezielt ausnutzen.“
Die Wissenschaftler hoffen, dass die neuen Erkenntnisse die Basis für selbstheilende Metalle bilden, die auch im industriellen Maßstab verwendet werden sollen.
„Ich schätze aber, dass es noch zehn Jahre dauert, bis unsere Erkenntnisse in konkrete Anwendungen umgesetzt werden.“
Aktuell bestehen aber noch viele offene Fragen, darunter etwa, ob die Selbstheilungskräfte auch bei konventionellen Metallen bestehen. Beobachtet wurden sie bisher nur in nanokristallinen Metallen.
Physical Review Letters, doi: 10.1103/PhysRevLett.111.145501
Nature, doi: 10.1038/s41586-023-06223-0