Exotische Quantenflüssigkeit

Wasserstoff kann im Nanobereich tatsächlich superfluid sein

 Robert Klatt

Nahe dem Nullpunkt wird Wasserstoff zur reibungslosen Quantenflüssigkeit )NEKIRamuK umusuS(Foto: © 

Der Nobelpreisträger Vitaly Ginzburg hat bereits 1972 eine These veröffentlicht, laut der Wasserstoff bei extrem niedrigen Temperaturen superfluid wird. Nun wurde erstmals experimentell bestätigt, dass Wasserstoff im Nanobereich den exotischen Materiezustand ohne innere Reibung erreichen kann.

Vancouver (Kanada). Materialien besitzen im superfluiden Zustand keine innere Reibung. Der exotische Quantenzustand wird aber nur bei extremen Bedingungen erreicht, etwa im Inneren von Neutronenstern. Manche Substanzen werden zudem bei Temperaturen minimal über dem absoluten Nullpunkt superfluid, darunter das Isotop Helium-3. In der Physik gibt es zudem seit 1972 eine vom späteren Nobelpreisträger Vitaly Ginzburg aufgestellte Theorie, laut der auch molekularer Wasserstoff bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt den Zustand der Superfluidität erreichen kann.

Wie Hatsuki Otani von der University of British Columbia (UBC) ist diese Übergangstemperatur jedoch unter dem Gefrierpunkt von Wasserstoff. Wasserstoff gefriert also, bevor es in einen superfluiden Zustand übergehen kann.

„Diese Übergangstemperatur liegt jedoch unter dem Gefrierpunkt von Wasserstoff bei rund 13,8 Kelvin.“

Wasserstofftröpfchen im Nanobereich, die nur aus wenigen Molekülen bestehen, können die Temperatur hingegen erreichen, ohne zu gefrieren. Es konnte bisher aber noch nicht experimentell klar belegt werden, ob Wasserstoff im Nanomaßstab superfluid wird.

Experiment nutzt Zwiebelschalenprinzip

Die Wissenschaftler der UBC haben laut ihrer Publikation im Fachmagazin Science Advances deshalb ein neues Experiment entworfen, das das Zwiebelschalenprinzip nutzt. Das Experiment schließt zunächst fünf bis 20 Wasserstoffmolekülen in ultrakaltem flüssigem Helium ein. Anschließend wird ein Methanmolekül in das Zentrum des Wasserstoffclusters eingefügt.

„Methan hat nur sehr schwache zwischenmolekulare Wechselwirkungen mit dem Wasserstoff, was es zu einem idealen Sensor macht.“

Um zu untersuchen, ob die Wasserstoffmoleküle superfluide sind, haben die Forscher das Methanmolekül mit einem Laser angeregt. Es entsteht dadurch eine Rotation, die schneller ist, umso geringer der Widerstand der Wasserstoffmoleküle ist. Wenn Superfluidität besteht, muss das Methanmolekül also so schnell rotieren, als ob es sich in einem freien Raum befindet.

Temperatur von 0,4 Kelvin

Der im Zwiebelschalenprinzip erstellte Tropfen wurde im Experiment auf 0,4 Kelvin gekühlt. Anschließend haben die Physiker die Rotationsgeschwindigkeit des Methanmoleküls gemessen.

„Wir waren begeistert, als wir das erste Mal ein erstaunlich klares Methanspektrum aus dem winzigen Wasserstofftröpfchen einfingen.“

Die Rotation des Methanmoleküls war laut der Messung unabhängig von den Wasserstoffmolekülen. Es handelt sich dabei um einen deutlichen Hinweis auf superfluiden Wasserstoff. Beobachtet wurde das Phänomen in Wasserstoffclustern mit 15 bis 20 Molekülen. Das Experiment zeigt somit, dass die rund 50 Jahre alte These von Vitaly Ginzburg in sehr kleinen Tröpfchen korrekt ist.

„Unsere Studie liefert starke experimentelle Belege für die Existenz einer superfluiden Phase des molekularen Wasserstoffs bei 0,4 Kelvin. Dies repräsentiert einen wichtigen Fortschritt in unserem Verständnis des Quantenverhaltens molekularer Systeme.“

Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.adu1093

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