Höhere Fusionsleistung

Neue Technik ermöglicht kleinere Fusionskraftwerke

Robert Klatt

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Auf den Punkt gebracht
  • In Fusionskraftwerken sorgt ein Magnetfeld dafür, dass das über 100 Millionen Grad Celsius heiße Plasma den Divertor nicht berührt 
  • Der Einsatz von X-Punkt-Strahlern ermöglicht eine deutliche Reduzierung des Mindestabstands
  • Dies könnte den Bau von Kernfusionskraftwerken stark vereinfachen

In Fusionskraftwerken hält ein Magnetfeld das über 100 Millionen Grad Celsius heiße Plasma in seiner Position. Durch den Einsatz von X-Punkt-Strahlern kann der nötige Mindestabstand stark reduziert werden. Dies könnte den Bau von Fusionskraftwerken deutlich vereinfachen.

Garching (Deutschland). Der internationale Experimentalreaktor ITER soll entscheidend zur Energiegewinnung in einem Fusionskraftwerk beitragen. Es handelt sich dabei um einen Fusionsreaktor im Tokamak-Prinzip, bei dem das über 100 Millionen Grad heiße Fusionsplasma in einem magnetischen Feld mit der Form eines Donuts eingeschlossen wird. Das Magnetfeld verhindert, dass das Plasma umschließenden Wand zerstört.

Die für den Experimentalreaktor ITER und kommende Kraftwerke nötige Technik wird unter anderem durch das Experiment ASDEX Upgrade des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) in Deutschland erforscht. Die dortigen Physiker können bereits jetzt unterschiedliche Plasma-Betriebszustände und Komponenten untersuchen und weiterentwickeln.

Hohe Belastung am Divertor

Bei modernen Magnetfusionsanlagen wie dem ASDEX Upgrade ist der sogenannte Divertor eines der zentralen Bauteile. Dieser Teil der Gefäßwand ist laut Prof. Ulrich Stroth, Leiter des Bereichs Plasmarand und Wand am IPP, besonders hitzebeständig und komplex. Der Divertor von ASDEX Upgrade und von ITER bestehen auf Wolfram, dem Element mit der höchsten Schmelztemperatur von 3.422 Grad Celsius.

„Am Divertor führen wir Wärme aus dem Plasma. In späteren Kraftwerken soll dort auch das Fusionsprodukt Helium-4 ausgeleitet werden. In dieser Wandregion ist die Belastung besonders hoch.“

Der Divertor in ITER und im ASDEX Upgrade kann pro Quadratmeter maximal eine Leistung von 10 Megawatt aushalten. Ohne technische Maßnahmen würden aber etwa 200 Megawatt pro Quadratmeter auf den Divertor treffen. Dies entspricht etwa den Bedingungen auf der Sonnenoberfläche.

Verunreinigungen reduzieren Wärmenergie

Um die Belastung am Divertor zu reduzieren, werden dem Plasma minimale Verunreinigungen beigemischt. Diese entziehen dem Plasma signifikante Mengen an Wärmenergie, die in ultraviolettes Licht umgewandelt werden. Es ist jedoch trotzdem erforderlich, dass der Plasmarand (Separatrix) einen Mindestabstand zum Divertor einhält, um Schäden zu vermeiden. Bisher waren dies am ASDEX Upgrade gemessen von der unteren Plasmaspitze (X-Punkt) bis zu den äußeren Kanten des Divertors mindestens 25 Zentimeter.

Reduzierter Mindestabstand durch X-Punkt-Strahler

Forschern des Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) ist es nun gelungen, den Mindestabstand auf fünf Zentimeter zu reduzieren, ohne dass die Wand beschädigt wird. Laut Dr. Matthias Bernert verwenden sie dazu sogenannte X-Punkt-Strahler.

„Wir setzen dafür gezielt den sogenannten X-Punkt-Strahler ein – ein Phänomen, das wir vor etwa einem Jahrzehnt bei Experimenten an ASDEX Upgrade entdeckt haben. Der X-Punkt-Strahler tritt in dafür speziell geformten Magnetfeldkäfigen auf, wenn die Menge der Stickstoff-Verunreinigung einen bestimmten Wert überschreitet.“

Wird die Menge der Stickstoff-Verunreinigung überschritten, bildet sich ein kleines, dichtes Volumen, das vor allem im UV-Bereich stark strahlt.

„Die zugesetzte Verunreinigung bringt uns zwar etwas schlechtere Plasmaeigenschaften, aber wenn wir den X-Punkt-Strahler durch Variation des Stickstoffeintrags gezielt platzieren, können wir die Experimente bei höheren Leistungen betreiben, ohne die Anlage zu schädigen.“

Laut der Publikation in den Physical Review Letters zeigen die Kameraaufnahmen aus dem Vakuumgefäß, dass der X-Punkt-Strahler auch sichtbares Licht emittiert. Er ist deshalb als blau leuchtender Ring im Plasma zu erkennen. Wie Dr. Tilmann Lunt erklärt, ist die Entdeckung, dass der X-Punkt-Strahler den nötigen Mindestabstand reduzieren kann, teilweise ein Zufall.

„Versehentlich sind wir mit dem Plasmarand deutlich näher an den Divertor herangegangen als geplant. Wir waren sehr überrascht, dass ASDEX Upgrade damit problemlos klargekommen ist.“

In späteren Experimenten wurde mehrmals bestätigt, dass durch die Verwendung des X-Punkt-Strahlers deutlich mehr Wärmeenergie in UV-Strahlung umgewandelt werden kann, als in der Physik zuvor angenommen wurde.

Kompaktere und günstigere Fusionskraftwerke

Die neue Entdeckung kann laut dem IPP den Bau von kompakteren und günstigeren Fusionskraftwerken ermöglichen. Dies ist möglich, weil durch den reduzierten Mindestabstand kleinere und technisch deutlich wenigere komplexe Divertoren, sogenannte Compact Radiative Divertoren, verwendet werden können. Außerdem kann das Compact Radiative Divertor ausgenutzt werden, weil das Plasma sich näher am Divertor befindet. Laut ersten Modellrechnungen kann dadurch eine Verdopplung des Plasmavolumens bei gleichbleibenden Maßen des Vakuumgefäßs erreicht werden.

Wie Stroth erklärt, wirkt der X-Punkt-Strahlers zudem gegen Edge Localized Modes (ELMs). Dies sind starke Energieeruptionen am Plasmarand, bei denen in unregelmäßigen Zeitabständen etwa zehn Prozent der Plasmaenergie in Richtung der Wand geschleudert werden.

„Wir haben es mit einer bedeutenden Entdeckung in der Fusionsforschung zu tun. Der X-Punkt-Strahler eröffnet uns völlig neue Möglichkeiten bei der Entwicklung eines Kraftwerks. Wir werden ihn jetzt theoretisch aber vor allem auch in weiteren Experimenten an ASDEX Upgrade genauer untersuchen.“

Physical Review Letters, doi: 10.1103/PhysRevLett.130.145102

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