Robert Klatt
In Deutschland glaubt mehr als ein Drittel der Menschen an Verschwörungstheorien. Besonders anfällig sind AfD-Wähler und Menschen, die nicht gegen Covid-19 geimpft sind.
Bonn (Deutschland). Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung e. V. (FES), die der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) nahesteht, hat untersucht, wie hoch die Zustimmung in Deutschland für folgende Verschwörungstheorien sind:
Laut der Umfrage unter 2.364 Deutschen stimmt mehr als die Hälfte (54 %) mindestens einer von fünf Verschwörungstheorien zu. Mehr als ein Drittel stimmt mindestens zwei der Verschwörungserzählungen zu.
Die meisten Zustimmung erhielt die Verschwörungstheorie, dass die Regierung während der Covid-19-Pandemie die Bevölkerung gezielt in Angst versetzt habe, um massive Grundrechtseinschränkungen durchzusetzen. Mehr als ein Drittel (36,3 %) der Umfrageteilnehmer stimmte dieser Aussage voll oder zumindest eher zu. Die zweitmeiste Zustimmung (18,1 %) erhielt die Aussage, dass das Coronavirus eine Biowaffe sei, die gezielt entwickelt wurde, um Menschen zu töten.
Die Zustimmung zu Verschwörungsnarrativen im Kontext der Pandemie wurde stark durch den Corona-Impfstatus beeinflusst. Insbesondere Ungeimpfte zeigten eine deutlich höhere Zustimmung zu solchen Erzählungen. 85,6 Prozent dieser Gruppe neigten mindestens dazu, der Ansicht zuzustimmen, dass die Regierung die Pandemie gezielt zur Einschränkung von Grundrechten genutzt hat. Fast die Hälfte dieser Gruppe stimmte auch der Idee zu, dass das Coronavirus als Biowaffe eingesetzt wurde. Ähnlich hohe Zustimmungswerte waren bei Wählern der AfD zu verzeichnen.
Des Weiteren zeigten sowohl AfD-Wähler als auch Ungeimpfte eine deutlich höhere Zustimmung zu Verschwörungsnarrativen in Bezug auf andere Themen wie den Krieg in der Ukraine und den Klimawandel. 57,1 Prozent der AfD-Wähler hielten die Behauptung zumindest für eher richtig, dass die westliche Welt gegen Russland und dessen Präsidenten konspiriert, um ihre Macht auszubauen. Zum Vergleich: Bei Grünen-Wählern waren es nur 11,9 Prozent. Über zwei Drittel der AfD-Wähler neigten zudem dazu, der Ansicht zuzustimmen, dass Wissenschaftler die Risiken des Klimawandels absichtlich übertreiben, um mehr finanzielle Mittel und Anerkennung für ihre Forschungen zu erhalten.
Laut Anne Küppers, Co-Autorin der Studie und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, ist es keineswegs zufällig, dass die höchsten Zustimmungsraten für Verschwörungsnarrative aus den extremen politischen Rändern stammen, insbesondere aus dem rechtspopulistischen und rechtsextremen Spektrum. Dies spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass 25 Prozent der Befragten der Behauptung zumindest eher zustimmten, dass die herrschenden Eliten das Ziel verfolgen, das deutsche Volk durch Einwanderer auszutauschen, eine Verschwörungstheorie, die als Großer Austausch bekannt ist und von Rechtsextremen verbreitet wird.
Insgesamt zeigten Menschen aus Ost- und Süddeutschland eine höhere Zustimmung zu Verschwörungsnarrativen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie als Menschen aus Nord- und Westdeutschland. In diesen Gebieten fanden während der Pandemie auch vermehrt Proteste statt.
Küppers erklärt diese Tendenz unter anderem mit dem geringeren Vertrauen in politische Institutionen in Ostdeutschland und einer schlechteren sozioökonomischen Situation. Er betont, dass zahlreiche Studien belegen, dass soziale Ungleichheit und wirtschaftliche Benachteiligung mit Verschwörungsglauben in Verbindung stehen. Bei anderen Themen zeigte sich ebenfalls eine höhere Zustimmung zu verschwörungsideologischen Aussagen bei Menschen aus Ostdeutschland.
Die erhöhte Zustimmung zu Verschwörungserzählungen während der Covid-19-Pandemie in Süddeutschland, insbesondere in Baden-Württemberg, führt Küppers auf andere Faktoren zurück. Er vermutet, dass es Zusammenhänge mit esoterischem und anthroposophischem Denken gibt, welche in dieser Region stärker verbreitet sind und oft mit einer gewissen Skepsis gegenüber der Wissenschaft einhergehen.
Laut Küppers ist es nicht überraschend, dass mehr als ein Drittel der Deutschen mehreren Verschwörungserzählungen zustimmt, weil eine Art Verschwörungsmentalität besteht.
„Der stärkste Erklärungsfaktor, warum jemand eine Verschwörungserzählung glaubt, ist: weil er schon an andere glaubt. Menschen, die tendenziell überall Muster sehen, für die es einfach keine Zufälle gibt und die überall geheime Machenschaften wittern, haben eine Grundanfälligkeit für Verschwörungserzählungen.“
Küppers betont, dass durch Bildung der Anteil von Menschen in einer Gesellschaft, die Verschwörungsnarrativen Glauben schenken, reduziert werden kann. Allerdings würden Verschwörungsideologen niemals gänzlich verschwinden.
„Es gibt immer so ungefähr ein Drittel der Bevölkerung, der als anfällig gilt. Das ist relativ stabil. Verantwortlich dafür kann das Gefühl eines Macht- oder Kontrollverlusts sein, oder auch der Wunsch nach Erklärungen.“