Robert Klatt
Albträume und reale Angstsituationen aktivieren dieselben Regionen des Gehirns. Die Träume bereiten den Menschen so im Schlaf darauf vor bei echter Angst richtig zu reagieren. Möglicherweise lässt sich aus diesen Erkenntnissen eine Behandlungsmethode gegen Angststörungen ableiten.
Genf (Schweiz). Neurologen haben bereits vor einigen Jahren belegt, dass das Bewusstsein für Träume und die Realität identisch sind und Träume deshalb so real erscheinen können. Leider gehören dazu auch Albträume, die starke Angst beim Menschen auslösen können. Laut einer kürzlich im Fachmagazin Human Brain Mapping publizierten Studie der Universität Genf sind beim Albträumen und realen Ängsten dieselben Regionen des Gehirns aktiv. Die Studienautoren, zu denen auch Wissenschaftler des Universitätsklinikums Genf (HUG) gehören, halten es deshalb für sehr wahrscheinlich, dass die angsteinflößenden Träume den Menschen auf reale Ängste vorbereiten sollen.
Analysiert wurde für die Studie die Gehirnaktivität von 18 Probanden im Schlaflabor mit Hilfe eines Elektroenzephalogramm (EEG), das aus einer Kappe mit 256 Elektroden bestand. Um die aufgezeichneten Daten mit den Inhalten der Träume verknüpfen zu können, wurden die Probanden während der Nacht mehrfach aufgeweckt und befragt. Eine Befragung am nächsten Tag ist nicht möglich, weil die MCH-Zellen des Gehirns während des REM-Schlafs unwichtige Informationen, darunter auch Träume aus dem Gedächtnis löschen und so verhindern, dass diese ins Langzeitgedächtnis gelangen.
Die Aufzeichnungen des EEG ermöglichten es den Wissenschaftlern zwei Hirnregionen zu identifizieren, die in Verbindung mit Albträumen besonders aktiv sind. Es handelt sich dabei um den Gyrus cinguli und die Inselrinde. Im Wachzustand ist der Gyrus cinguli dafür verantwortlich in gefährlichen Situationen entsprechende Abwehr- oder Fluchtbewegungen vorzubereiten. Die Inselrinde hingegen bewertet Emotionen und leitet daraus Handlungen ab.
Anschließend untersuchten die Forscher, ob Albträume einen Einfluss auf reale Angstsituationen haben. Dafür erstellten 89 Probanden ein Traumtagebuch, in dem sie möglichst genau ihre nächtlichen Gedanken festhielten. Mit Hilfe der Magnetresonanztomografie zeichneten die Forscher dann die Hirnaktivität der Probanden auf, während sie ihnen Bilder zeigten, die üblicherweise Angst auslösen wie beispielsweise Gewalt. Neben der Gyrus cinguli und der Inselrinde beobachteten die Wissenschaftler auch Amygdala und den medialen präfrontalen Cortex, die beide ebenfalls für die Verarbeitung von Emotionen zuständig sind.
Es zeigte sich dabei, dass die Aktivität des Gyrus cinguli, der Inselrinde und des Amygdala geringer waren, wenn die Probanden in der Woche zuvor besonders viele Albträume hatten. Die Aktivität des medialen präfrontalen Cortex, der die Reaktionen der Amygdala auf Angst hemmt, nahm hingegen ab. Bei Menschen, die zuvor keine Albträume hatten, zeigte die Aktivität des Gehirns eine gegenteilige Reaktion.
Laut den Studienautoren bestätigen ihre Ergebnisse eine neurowissenschaftliche Theorie, laut der Menschen im Schlaf Angst simulieren, damit sie in der Realität besser reagieren können. Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler erforschen, ob sich aus den Erkenntnissen neue Behandlungsmöglichkeiten gegen Angststörungen ableiten lassen.
Human Brain Mapping, doi: 10.1002/hbm.24843