Robert Klatt
Eine Analyse von Beiträgen in sozialen Medien zeigt eine Instrumentalisierung der Covid-19-Pandemie durch Rechtspopulisten. Einige der Akteure aus dem rechten Spektrum haben während der Pandemie einen radikalen Kurswechsel von Befürwortern der Maßnahmen zu Kritikern vollzogen. Sie können so ihre Anti-Establishment-Haltung behalten und sich als Retter des Volks inszenieren.
Dresden (Deutschland). Wissenschaftler des Mercator Forum Migration und Demokratie (MIDEM) der Technischen Universität Dresden (TU Dresden) haben im Rahmen der Studie „Corona und Rechtspopulismus“ (PDF) eine europaweite Analyse von Facebook-Beiträgen durchgeführt, um zu untersuchen, ob und wie die Covid-19-Pandemie von rechten Gruppen und Parteien instrumentalisiert wird. „Krisenzeiten sind immer Einfalltore für Unzufriedenheit und Protest“, erklärt dazu Hans Vorländer, Leiter des MIDEM.
Bereits vor einigen Jahren während der Migrationskrise konnte man sehen, wie politische Akteure Ausnahmesituationen nutzen, um Sorgen, Ängste und Ressentiments in der Bevölkerung zu schüren und um Institutionen, vermeintliche Eliten und das politische System zu diskreditieren.
Die Wissenschaftler untersuchten für ihre Studie Beiträge populistischer Parteien in zwölf Ländern. Laut der Analyse war Covid-19 nicht pauschal ein Gewinnerthema für Rechtspopulisten in Europa. „Aber sie konnten dort reüssieren, wo sie schon bestehende Entfremdungserfahrungen und populistische Einstellungen einzelner Bevölkerungsgruppen mit ihrer Systemkritik aufzugreifen und zuzuspitzen vermochten“, erklärt Vorländer. Während der Covid-19-Pandemie sind Rechtspopulisten demnach noch populistischer geworden.
Laut der Analyse sprechen Rechtspopulisten auf ihren offiziellen Kanälen die Covid-19-Pandemie nicht häufiger an als Akteure mit einem anderen politischen Hintergrund. „Die Art der Kommunikation hebt sich jedoch von der anderer Parteien deutlich ab“, erklären die Autoren. Deutlich wird dies primär an der Kritik staatlicher Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, die oft in polemische und emotionale Regierungskritik ausartet.
„Eine Ausnahme stellen rechtspopulistische Parteien dar, die an der Regierung sind: Sie waren während der Pandemie vor allem darauf bedacht, das Thema Corona zu entpolitisieren“, erklärt Vorländer. Rechte Parteien in der Opposition haben hingegen die Covid-19-Pandemie zur Stärkung ihres populistischen Auftretens genutzt.
Bei vielen rechten Parteien bemerkten die Wissenschaftler außerdem im Verlauf der Covid-19-Pandemie einen radikalen Kurswechsel. Zu Beginn sprachen diese sich in der Regel für strenge Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus aus, äußerten im späteren Verlauf dann aber häufig Kritik daran. „Auf diese Weise bleiben sie ihrer Anti-Establishment-Haltung treu und inszenieren sich als Sprachrohr eines von Corona-Maßnahmen gebeutelten Volkes“, so Vorländer.
Überdies zeigt die Analyse der Beiträge, dass Rechtspopulisten das Thema Migration und Covid-19 oft verknüpfen. Dies geschieht vorwiegend in Nordeuropa, wo in den sozialen Medien von Rechten behauptet wird, dass Migranten für die Verbreitung des Virus verantwortlich sind.