Robert Klatt
Der Lockdown im Frühling hat sich auf depressive Menschen deutlich stärker ausgewirkt als auf die Allgemeinbevölkerung. Nun befürchten Psychiater durch den aktuellen Lockdown-Light einen Teufelskreis, der die Depressionen weiter verstärkt.
Leipzig (Deutschland). In Deutschland leiden laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe mehr als fünf Millionen Menschen an einer Depression. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung wurde diese Bevölkerungsgruppe laut dem Deutschland-Barometer Depression (PDF) durch den Lockdown im Frühjahr gegen die Covid-19-Pandemie deutlich stärker belastet. Ulrich Hegerl, der Vorsitzende der Stiftung erwartet ähnliche Auswirkungen auch für den aktuellen Teil-Lockdown der Bundesrepublik.
Die von der Stiftung erhobenen Daten zeigen, dass die Behandlung jedes zweiten depressiven Patienten durch den Lockdown teils signifikant eingeschränkt wurde. Am häufigsten sind dabei Klinikaufenthalte und Arzttermine verschoben worden oder vollständig entfallen. A
Wie Hegerl erklärt, stellen die Kliniken auch aktuell erneut mehr Ressourcen zur Behandlung von Covid-19-Patienten bereits. Dies geschieht aus Sicht der Stiftung vor allem auf Kosten von Menschen mit einer Depression oder einer anderen psychischen Krankheit, obwohl wie Hegerl erklärt „Depression eine schwere, oft lebensbedrohliche und dringend behandlungsbedürftige Erkrankung sind.“
Außerdem zeigt die im Juni und Juli 2020 erfolgte Umfrage unter 5.000 Menschen zwischen 18 und 69 Jahren, dass fast drei Viertel (74 %) der Personen mit Depressionen den Lockdown als bedrückend empfanden. In der Allgemeinbevölkerung waren es 59 Prozent.
Depressive Menschen litten außerdem häufig (75 %) unter der fehlenden Tagesstruktur. Mit 39 Prozent war auch hier der Anteil in der Allgemeinbevölkerung deutlich geringer.
Außerdem sorgte der Lockdown bei mehr als einem Drittel (43 Prozent) der depressiven Studienteilnehmer für zusätzliche Konflikte und Streit. Demgegenüber stehen weniger als ein Fünftel (18 %) der Allgemeinbevölkerung.
Als Reaktion auf den Lockdown blieben 48 Prozent der Menschen mit Depressionen auch während des Tages im Bett. In der Allgemeinbevölkerung waren es 21 Prozent.
Insgesamt sorgen diese Verhaltensänderungen laut Hegerl für einen Teufelskreis. Laut dem Psychiater erhöht die fehlende Tagesstruktur das Risiko, das sich depressive Menschen noch weiter zurückzuziehen und dass sich ihre Depressionen durch lange Bettzeiten weiter verstärken.
Hegerl prognostiziert, dass „der Rückzug in die eigenen vier Wände durch diesen zweiten Teil-Lockdown für Menschen mit einer Depression wieder viele negative Auswirkungen haben wird. Der Psychiater erklärt, dass der Lockdown den ohnehin depressiven Menschen noch mehr zum Nachdenken lässt, was dazu führen kann, dass diese tiefer in die Depression geraten. Auch Möglichkeiten der Behandlung wie Telefon- und Videosprechstunden sowie Onlineprogramme sind laut Hegerl bei vielen Patienten keine Alternative. Im Vergleich zu früher wurden diese Optionen im ersten Lockdown aber verstärkt genutzt.