D. Lenz
Viele Menschen verbinden mit der Melancholie einen eher traurigen Gemütszustand, der einer Depression ähnelt. Psychologen sagen, es kommt darauf an, wie man mit der Melancholie umgeht.
Der Gemütszustand der Melancholie ist eine Begleiterscheinung, die es schon so lange gibt, wie die Menschheit als solche. Der Begriff existiert bereits ebenso lange – seit der Antike, wo er so viel wie „Schwarzgalligkeit“ bedeutete und von den Menschen hoch geschätzt war. Im Mittelalter durchlief die Melancholie hingegen einen tiefgreifenden Wandel: Sie galt als Todsünde und Instrument des Teufels oder auch als Müdigkeit der Seele und Schuldigwerden des Herzens. Im Laufe der Zeit besserte sich das Verhältnis der Menschen zur Melancholie kaum. In der Zeit der Aufklärung, in der sich auch die ersten Anfänge der Psychologie etablierten, galt sie als Schwäche und als Zeichen von hysterischen Handlungen. Die Romantiker sahen in ihr indes ein Symbol für Depressionen, das auch in der schwarzen Romantik einen künstlerischen Höhepunkt fand. Die Rehabilitierung des natürlichen Gemütszustands begann ab der „Stunde null“, dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Melancholie ist – im Gegensatz zu psychischen Erkrankungen, zu denen auch die Depression zählt – ein als natürlich anzusehender, vorübergehender Gemütszustand. Melancholie wird mit Schwermut verbunden; ein Mensch, der melancholisch ist, fühlt sich traurig, einsam, schwermütig und nachdenklich. Doch ein melancholischer Gemütszustand müsse nicht immer in einer Therapie enden. Denn – im Gegensatz zu der lang anhaltenden Depression, bei der kein Ende aus der Gefühls- und Gedankenkrise in Sicht ist – kann der Mensch einen eigenen Ausweg aus der Melancholie finden und diese sogar in positiver Weise für sich nutzen. Ein melancholischer Mensch lässt seine Gefühle zu, statt sie zu verdrängen; er setzt sich mit Problematiken auseinander, anstatt vor ihnen zu fliehen. Auch sei Melancholie keineswegs „nur“ ein trauriger Zustand, sondern vielmehr ein Wechselbad der Gefühle – verglichen beispielsweise mit Liebeskummer, einer aufregenden Nachricht oder spannenden Momenten.
Psychologen gehen von unterschiedlichen Strategien der Lebensbewältigung aus. Sie definieren insgesamt vier Wege, wie der Mensch durchs Leben gehen kann: Zum einen den der rosaroten Brille. Dieser gilt für Menschen, die nichts Negatives an sich heranlassen und Probleme gerne komplett ausblenden. Die zweite Option bestünde im Verdrängen oder Verleugnen der Probleme. Im Unterschied zur rosaroten Brille könnten die Menschen dies allerdings lediglich für einen bestimmten Zeitraum tun, ehe sie von ihren Problemen eingeholt würden. Die dritte Variante ist eine schwerwiegende Depression. Wunsch und Wirklichkeit lägen hier so weit auseinander, dass die Betroffenen in einen dauerhaften schlechten Gemütszustand verfallen, der zu einer ernstzunehmenden psychischen Erkrankung führe. Und zuletzt gäbe es noch die Melancholie – die Begabung, schwierige Gemütszustände hinzunehmen, zu akzeptieren und manchmal auch zu genießen. Denn ebenso wie die Melancholiker die Schattenseiten des Lebens sehen, sind sie ebenso über die heiteren Dinge im Klaren.
Entgegen anderer Prinzipien und Einstellungen lässt sich die Fähigkeit zur reflektierten Melancholie in der Regel nicht einfach erlernen. Menschen, die melancholisch sind, wirken in der Regel – auf sich selbst und andere – robuster als Menschen, die nicht melancholisch sind. Sie können mit Erwartungshaltungen umgehen und komme damit zurecht – auch wenn sie den Ansprüchen ab und an nicht genügen. Dennoch kann es Wege und Möglichkeiten geben, Fragen und Erfahrungen einen Platz im Denken einzuräumen, statt diese zu verdrängen. Ein bisschen Melancholie hat also für jedes Gemüt positive Seiten, wenn sie reflektiert genutzt wird.