Robert Klatt
Soziale Isolation macht Menschen bereits nach wenigen Stunden so müde und erschöpft wie die gleiche Zeit ohne Essen. Die dadurch entstehende Motivationslosigkeit kann einen Teufelskreis der Einsamkeit auslösen.
Wien (Österreich). Menschen sind soziale Wesen, für die Einsamkeit ein ernstes Gesundheitsproblem ist. Studien haben unter anderem belegt, dass soziale Isolation Aktivitätsmuster im Gehirn verändert, den Schlaf stört, das Immunsystem schwächt und zu Stress führt. Dies kann zu gesundheitlichen Langzeitfolgen wie einem erhöhten Demenzrisiko führen, auch wenn eine Person sich subjektiv nicht als einsam sieht.
Forscher der Universität Wien um Ana Stijovic haben nun die möglichen Auswirkungen sozialer Isolation auf unser subjektives Energieniveau und unseren Antrieb untersucht. In einer Studie wurden 30 Probanden unter verschiedenen Bedingungen getestet. Sie verbrachten entweder acht Stunden ohne sozialen Kontakt oder ohne Nahrungsaufnahme im Labor. Die Probanden durchliegen an unterschiedlichen Tagen beide Szenarien. Während dieser Zeit wurden die physiologischen Stressreaktionen der Teilnehmer kontinuierlich überwacht, und sie dokumentierten ihren subjektiven Zustand mithilfe eines standardisierten Fragebogens in regelmäßigen Abständen.
Die Daten belegen, dass soziale Isolation Müdigkeit, Erschöpfung und allgemeine Antriebslosigkeit auslösen kann. Die Auswirkungen der sozialen Isolation waren so groß wie die Effekte derselben Zeit ohne Nahrung.
„Die akute soziale Isolation war vor allem bei den sonst sozialeren Testpersonen mit einem niedrigeren subjektiven Energieniveau verbunden.“
Die stärkere Müdigkeit, Erschöpfung und Energielosigkeit bestanden auch am Folgetag der Einsamkeit und waren bei alleinlebenden Menschen besonders stark.
Die Isolation scheint einen negativen, zyklischen Prozess hervorzurufen. Durch den Mangel an sozialen Kontakten wird ein Gefühl von Müdigkeit und Antriebslosigkeit erzeugt, was wiederum die Motivation zur Initiierung aktiver sozialer Interaktionen verringert.
„Dieser in zwei Richtungen wirkende Zusammenhang zwischen sozialer Isolation und Energieniveau verursacht damit eine Feedbackschleife, die das Alleinsein noch verstärkt.“
Zuvor war lediglich bekannt, dass dieser Teufelskreis bei Menschen entsteht, die über einen deutlich längeren Zeitraum einsam war. Die nun im Fachmagazin Psychological Science publizierte Studie zeigt erstmals, dass der sich selbst verstärkende Effekt auch nach einer kurzen Isolationsdauer besteht.
„Unsere Ergebnisse demonstrieren, dass Veränderungen der subjektiven Energie und das Gefühl der Erschöpfung auch schon nach einer relativ kurzen Phase der sozialen Isolation auftreten können.“
Die Autoren gehen davon aus, dass homöostatischen Reaktion den Effekt auslösen. Dies bedeutet, dass der Körper in eine Art Energiesparmodus schaltet, wenn er durch die Einsamkeit erhöhten Stress ausgesetzt ist.
Psychological Science, doi: 10.1177/09567976231156413