Robert Klatt
In Deutschland leiden viele Erwerbstätige unter einer krankhaften Arbeitssucht. Überproportional stark betroffen sind Führungskräfte.
Düsseldorf (Deutschland). Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass Deutsche weniger arbeiten möchten als je zuvor. Wie eine nun publizierte Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Technischen Universität Braunschweig im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) zeigt, gibt es jedoch auch eine größere Gruppe an Erwerbstätige mit einem suchthaften Arbeitsverhalten, das sich negativ auf ihre Gesundheit auswirken kann.
Die Betroffenen arbeiten laut der Studie oft sehr schnell, lang und sind parallel mit mehreren Aufgaben und Projekten beschäftigt, obwohl ihnen die Arbeit oft keinen Spaß macht. Sie können deshalb auch nach Feierabend oft nur schlecht abschalten und denken permanent an ihre Arbeit.
Die Studie basiert auf der Analyse repräsentativer Daten von etwa 8.000 Berufstätigen aus den Jahren 2017 und 2018, in Bezug auf ihr Arbeitsverhalten und Wohlbefinden. Laut den Forschungsergebnissen haben 9,8 Prozent der befragten Erwerbstätigen ein suchthaftes Arbeitsverhalten. Ein Drittel der Befragten war exzessiv tätig, jedoch ohne Zwang. Die Mehrzahl der Berufstätigen (55 %) verrichteten ihre Arbeit hingegen in einer entspannten Haltung.
Laut der Studie leiden Führungskräfte überproportional oft unter Arbeitssucht. Die Quote für diese Gruppe beträgt beachtliche 12,4 Prozent, verglichen mit 8,7 Prozent bei den restlichen Erwerbstätigen. Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das Ausmaß von suchthaftem Arbeiten in direkter Korrelation zur hierarchischen Position in der Führungsebene steht – je höher die Position, desto stärker ausgeprägt ist das zwanghafte Arbeiten.
Obwohl Arbeitssüchtige ihren Gesundheitszustands schlechter einschätzen als die übrigen Erwerbstätigen, fehlen sie laut der Studie seltener bei der Arbeit. 28 Prozent der als arbeitssüchtig klassifizierten Personen beurteilten ihren Gesundheitszustand als weniger gut oder schlecht, im Gegensatz zu nur 14 Prozent der anderen Befragten. Im vergangenen Jahr war trotzdem knapp die Hälfte der Arbeitssüchtigen (45 %) keinen Tag krankgemeldet. Bei den nicht arbeitssüchtigen Erwerbstätigen war der Anteil deutlich kleiner (36 %).
„Die empirischen Ergebnisse zeigen deutlich, dass suchthaftes Arbeiten in Deutschland im Zusammenhang mit schlechterer Gesundheit steht. Gleichzeitig deuten die Ergebnisse darauf hin, dass suchthaft Arbeitende der ärztlichen Behandlung ihrer Beschwerden und ihrer Genesung weniger Beachtung schenken.“
Die Autoren weisen auf die potenziellen langfristigen Folgen der Sucht hin, einschließlich erhöhter Risiken für Burn-out oder depressive Stimmungen. Solche psychischen Erkrankungen können zu langanhaltenden Arbeitsausfällen führen, was sowohl für die betroffenen Personen als auch für Unternehmen und die Gesellschaft problematisch ist. Angesichts des Fachkräftemangels ist die Prävention von süchtig machendem Arbeiten daher von besonderer Bedeutung. Als Präventionsmaßnahmen empfehlen die Wissenschaftler deshalb unter anderem, das Bewusstsein für das Thema zu schärfen und in den Unternehmen einen aktiven Gesundheitsschutz zu fördern.