Daten aus Deutschland

Fördern Kriege Nationalismus?

 Robert Klatt

Soldat im Ersten Weltkrieg (Symbolbild) )kcotS ebodArime(Foto: © 

Eine Analyse von deutschen Opferzahlen des Ersten Weltkriegs zeigt, ob Kriege in der Bevölkerung zu mehr Nationalismus führen.

Osnabrück (Deutschland). Forscher der Universität Osnabrück um Prof. Alexander De Juan haben exemplarisch am Aufstieg der NSDAP untersucht, ob Kriege den Menschen nationalistisch machen. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin American Political Science Review haben sie dazu die 7,5 Millionen Soldaten aus Deutschland, die im Ersten Weltkrieg starben oder verwundet wurden, den einzelnen Landkreisen zugeordnet. Anschließend kombinierten sie die Daten mit den Stimmenanteilen der rechtsnationalen Parteien Deutschnationale Volkspartei (DNVP) und NSDAP.

Die Analyse zeigt, dass die rechtsnationalen Parteien in der gesamten Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg in Landkreisen mit hohen Opferzahlen mehr Stimmen erhalten haben (+ 2,5 %) als in Landkreisen mit durchschnittlich und unterdurchschnittlich hohen Opferzahlen.

Mitgliedschaften in nationalistischen Organisationen

Um zu untersuchen, wieso die Stimmenanteile der rechtsnationalen Parteien in den Landkreisen überdurchschnittlich hoch waren, haben die Forscher die Mitgliedschaften in nationalistischen Organisationen wie der Hitlerjugend, die Auswirkungen von Kriegsdenkmälern und die politischen Einstellungen der Bevölkerung, die sie anhand von Briefen rekonstruiert haben, analysiert.

„Die Ergebnisse stimmen mit unserer These überein, dass die Konfrontation mit den menschlichen Kosten des Ersten Weltkriegs die nationalistischen Präferenzen von Zivilisten – und nicht von Veteranen – erhöht hat. Wir finden auch Belege dafür, dass die Auswirkungen der Gefallenen des Ersten Weltkriegs durch Prozesse des lokalisierten kollektiven Gedenkens verstärkt wurden.“

Die Studie zeigt somit, wie der Erste Weltkrieg innerhalb der Bevölkerung zu mehr Nationalismus geführt und damit den Wahlerfolg der nationalistischen Parteien gefördert hat. Laut den Autoren lassen sich die Ergebnisse auch auf das aktuelle politische Verhalten übertragen.

„Wir zeigen, dass die Nähe zu Opfern im Kontext internationaler Kriege langfristige Auswirkungen auf politische Einstellungen haben kann, die über die Bewertung laufender Kriege und amtierender Regime hinausgehen. Unsere Ergebnisse zeigen, wie Kriege Spiralen aus nationalistischen politischen Programmen und zwischenstaatlicher Gewalt befördern können.“

American Political Science Review, doi: 10.1017/S000305542300014X

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