Robert Klatt
Menschen, die bereits eine Depression überwunden haben, beschäftigen sich auch danach intensiv mit negativen Informationen und Gedanken. Dies könnte das Risiko für einen Rückfall erhöhen.
Los Angeles (U.S.A.). In Deutschland und vielen anderen Staaten gehören schwere Depressionen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Obwohl die Psychologie inzwischen Depressionen gut behandeln kann, bleiben die Rückfallraten hoch. Mehr als die Hälfte der Menschen, die eine schwere depressive Episode durchlebt haben, leiden in ihrem Leben unter weiteren depressiven Verstimmungen. Oft kommt es zum Rückfall innerhalb von zwei Jahren nach der Erholung. Es ist daher entscheidend, die Risikofaktoren, die eine schwere Depression begünstigen, besser zu verstehen, um die Behandlung zu verbessern und Rückfälle zu verhindern.
Forscher der University of California, Los Angeles (UCLA) um Alainna Wen haben nun eine Metastudie publiziert, laut der Menschen, die eine Depression überwunden haben, sich auch danach oft länger mit negativen Informationen und Gedanken beschäftigen als Menschen, die eine solche Phase nie durchgemacht haben. Dies könnte das Risiko für einen Rückfall erhöhen.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Menschen mit einer Vorgeschichte von Depressionen mehr Zeit damit verbringen, negative Informationen, wie traurige Gesichter, zu verarbeiten als positive Informationen, wie glückliche Gesichter. Und dieser Unterschied ist im Vergleich zu gesunden Menschen ohne solche Vorgeschichte größer. Da mehr negatives Denken und Fühlen und weniger positives Denken und Fühlen charakteristisch für Depressionen sind, könnte das bedeuten, dass diese Menschen ein höheres Risiko für eine erneute depressive Episode haben.“
Die im Journal of Psychopathology and Clinical Science publizierte Metanalyse hat 44 Studien mit 2.081 Probanden, die eine schwere depressive Störung erlebt haben und 2.285 Menschen ohne eine entsprechende Vorgeschichte, ausgewertet. Die analysierten Studien haben die Reaktionszeiten der Probanden auf negative, positive oder neutrale Reize untersucht. Ein Teil der Studien hat den Teilnehmern dazu entweder ein glückliches, trauriges oder neutrales menschliches Gesicht gezeigt, das anschließend bewertet werden musste. Andere Studien zeigten den Probanden hingegen positive, negative oder neutrale Wörter, auf die sie reagieren mussten.
Im Mittel reagierten die gesunden Probanden schneller auf emotionale und nicht emotionale Reize, unabhängig davon, ob diese positiv, neutral oder negativ waren. Teilnehmer, die bereits eine schwere Depression überwunden hatten, verbrachten mehr Zeit mit der Verarbeitung von negativen emotionalen Reizen.
Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Menschen mit wiederkehrender schwerer depressiver Störung nicht nur weniger in der Lage sind, die Informationen, die sie verarbeiten, zu kontrollieren als gesunde Menschen, sondern auch eine stärkere Neigung zeigen, sich auf das Negative statt auf das Positive oder Neutrale zu konzentrieren.
„Die aktuellen Erkenntnisse haben Auswirkungen auf die Behandlung von Depressionen. Es reicht möglicherweise nicht aus, sich nur darauf zu konzentrieren, die Verarbeitung von negativen Informationen zu reduzieren, um einen Rückfall der Depression zu verhindern. Patienten könnten auch von Strategien profitieren, die die Verarbeitung von positiven Informationen erhöhen.“
Journal of Psychopathology and Clinical Science, doi: 10.1037/abn0000848