Robert Klatt
Das Glücksniveau eines Menschen steigt fast linear mit seinem Einkommen. Die Ursachen dafür sind bei Personen mit geringem und hohem Einkommen aber nicht identisch.
Philadelphia (U.S.A). In der Vergangenheit kam die Forschung zu dem Ergebnis, dass mehr Geld bei Menschen, die bereits ein Jahreseinkommen von mindestens 75.000 US-Dollar haben, das Glücksniveau nicht weiter erhöht. Diese Studien basierten auf retrospektiven Befragungen, bei denen die Probanden lediglich die Alternativen „glücklich“ und „nicht glücklich“ wählen konnten. Eine differenzierte Skala gab es nicht. Die Ergebnisse wurden deshalb von einigen Wissenschaftlern als nicht aussagekräftig kritisiert.
Nun haben Forscher der University of Pennsylvania um Matthew Killingsworth die Frage, ob mehr Geld tatsächlich glücklicher macht oder ob das Glücksniveau bei einem ausreichenden Gehalt ein Plateau erreicht, mit einer neuen Herangehensweise untersucht.
Laut der im Fachmagazin PNAS publizierten Studie haben die Wissenschaft dazu 33.000 erwerbstätige US-Amerikaner per Smartphone mehrmals pro Tag dazu befragt, ob sie positive oder negative Emotionen fühlen und wie zufrieden sie aktuell sind. Die Probanden gaben ihre Antworten über eine kontinuierliche Skala. Ein Teil beantwortete außerdem detaillierte Fragen zu ihrer allgemeinen Lebenszufriedenheit. Insgesamt wurden 1.725.994 Glücksberichte erhoben.
Die Auswertung der Daten belegt, dass eine fast lineare Beziehung zwischen dem Logarithmus des Einkommens und dem Glücksniveau besteht. Auch bei sehr hohen Einkommen nimmt das Ausmaß der Glückssteigerung nicht ab.
Matthew Killingsworth: „Ein höheres Einkommen war sowohl mit größerem gefühlten Glück als auch mit einer höheren allgemeinen Lebenszufriedenheit verbunden.“
Die Lebenszufriedenheit und das Glücksniveau steigen demnach bei einem Menschen, der sein Einkommen von 20.000 auf 40.000 US-Dollar verdoppelt im gleichen Maß wie einem Menschen, der sein Einkommen von 100.000 auf 200.000 US-Dollar verdoppelt. Auch wenn weitere Einflussfaktoren wie der Beziehungsstatus, das Alter und das Geschlecht herausgerechnet werden, bleibt dieser Effekt statistisch signifikant.
Um zu beantworten, wieso mehr Geld das Wohlbefinden eines Menschen erhöht, analysierten die Wissenschaftler die von den Probanden angegebenen Gefühle. Dabei entdeckten sie, dass negative Gefühle wie Angst, Stress und Langeweile mit einem zunehmenden Einkommen seltener werden und dass positive Gefühle wie Interesse, Stolz und Zuversicht zunehmen.
Matthew Killingsworth: „Es gab einige Hinweise darauf, dass ein höheres Einkommen für Geringverdiener vor allem die negativen Gefühle reduzierte, während ein höheres Einkommen für Besserverdiener die positiven Gefühle überproportional erhöhte.“
Ob das zunehmende Glück eher aus weniger negativen oder mehr positiven Gefühlen stammt, wurden in den vorherigen Studien, laut denen bei 75.000 US-Dollar Einkommen ein Glücksniveau erreicht wird, nicht berücksichtigt.
Wieso mehr Geld das Glücksniveau hebt, kann die Studie hingegen nicht klar beantworten.
Matthew Killingsworth: „Die Antwort auf diese Frage ist notwendigerweise spekulativ. Eine Möglichkeit ist, dass Menschen Geld ausgeben, um Leiden zu verringern und Freude zu steigern, und dass marginale Beträge je nach Einkommen unterschiedlich für diese Ziele eingesetzt werden. Eine andere Möglichkeit, die mit der Ersten nicht unvereinbar ist, ist, dass größere Einkommen den Menschen mehr Kontrolle über ihr Leben geben. Insgesamt zeigt sich, dass die früher angenommene Grenze von 75.000 US-Dollar nicht zutrifft. Es mag eine Grenze geben, aber wenn, dann liegt sie deutlich höher als bisher gedacht.“
PNAS, doi: 10.1073/pnas.2016976118