Robert Klatt
Die Emotionen des Menschen beeinflussen seine Handlungen stark. Forscher haben nun untersucht, ob traurige Menschen weniger egoistisch und unmoralisch sind.
Rennes (Frankreich). Traurigkeit wird fast ausschließlich als negative Emotion wahrgenommen. Forscher der ESC Rennes School of Business haben laut einer Publikation im Journal of Business Ethics jedoch entdeckt, dass die Emotion auch positive Auswirkungen auf den Menschen hat. Traurige Menschen sollen demnach weniger egoistisch und unmoralisch handeln.
Entdeckt haben die Forscher diesen Zusammenhang bei drei Experimenten mit über 600 Probanden. Im ersten Experiment haben die Wissenschaftler den Probanden Geschichten vorgelesen, die in ihnen unterschiedliche Emotionen auslösen sollten, darunter auch Traurigkeit. Um die ausgelösten Emotionen zu verstärken, haben die Teilnehmer noch ein persönliches Erlebnis aufgeschrieben, dass in der Vergangenheit die Emotion bei ihnen ausgelöst hat. Anschließend haben die Teilnehmer an einem Versuch teilgenommen, indem sie andere Probanden belügen mussten, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Es zeigte sich dabei, dass traurige Menschen weniger oft dazu bereit sind, Lügen für ihren individuellen Vorteil zu nutzen.
Das zweite Experiment war ähnlich gestaltet. Die Probanden mussten hierbei aber zusätzlich Entscheidungen treffen, die potenziell moralisch problematisch sind, etwa einen Kunden belügen, um einen persönlichen Gewinn erzielen zu können. Auch in diesem Experiment haben sich die traurigen Menschen moralischer und ehrlicher verhalten als die übrigen Teilnehmer.
Im letzten Versuch durften die Teilnehmer beliebig entscheiden, welchen Anteil eines monetären Gewinns eines anderen Menschen sie haben möchten. Auch in diesem Experiment war die moralische Integrität bei traurigen Versuchspersonen überdurchschnittlich hoch, auch wenn sie die Chance hatte, eine hohe finanzielle Belohnung zu erhalten.
Laut den Studienautoren trafen die traurigen Menschen ihren Entscheidungen, weil sie stärker über die möglichen schädlichen Folgen ihres Verhaltens nachdenken als die anderen Teilnehmer. Sie bewerten moralisch problematische Handlungen somit kritischer und achten mehr auf potenzielle negative Auswirkungen ihrer Entscheidungen.
„Dieser Effekt war in verschiedenen Entscheidungskontexten konsistent und trat auch dann auf, wenn die aus einem solchen Verhalten zu erzielenden Belohnungen relativ hoch waren.“
In den Experimenten wurde eine milde Form von Traurigkeit analysiert, die auch in Alltagssituationen, etwa auf der Arbeit, oft auftritt. Es ist somit wahrscheinlich, dass die Emotion unterschiedliche Wirtschafts- und Entscheidungsbereiche beeinflusst.
Journal of Business Ethics, doi: 10.1007/s10551-023-05611-w