Robert Klatt
Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, lassen sich mit Fakten kaum von der Wahrheit überzeugen. Nun wurde untersucht, ob die Künstliche Intelligenz (KI) ChatGPT dabei helfen kann, den Glauben an Verschwörungstheorien zu verringern.
Cambridge (U.S.A.). Viele Menschen halten Verschwörungstheorien für glaubhafter als wissenschaftliche Erkenntnisse und echte Nachrichten. Ihren Glauben zu widerlegen ist oft kaum möglich und erfordert, wie der Informatiker Alberto Brandolini in seinem Brandolinis Gesetz, das in der Wissenschaft auch als Bullshit-Asymmetrie-Prinzip bezeichnet wird, erklärt, einen hohen Aufwand.
Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben deshalb untersucht, ob die Künstliche Intelligenz (KI) ChatGPT dabei helfen kann, den Glauben an Verschwörungstheorien zu verringern. Laut der Publikation im Fachmagazin Science haben an der Studie rund 2.100 Probanden teilgenommen, die an mindestens eine Verschwörungstheorie glauben.
Die Probanden haben dem Large Language Model (LLM) zunächst Fragen zu 15 beliebten Verschwörungstheorien beantwortet. Anschließend hat die KI gefragt, an welche Verschwörungstheorie die Personen besonders glauben. Sie konnten dabei auch eine Verschwörungstheorie nennen, die in der Liste der beliebten Verschwörungstheorien nicht enthalten war. Anschließend hat die KI eine Zusammenfassung der Verschwörungstheorie erstellt und die Probanden haben angegeben, wie sehr sie der Aussage des LLM zustimmen.
Im zweiten Teil des Experiments wurden die Probanden in zwei Gruppen unterteilt. Die Kontrollgruppe hat mit der KI über Themen abseits der Verschwörungstheorie gesprochen, während die andere Gruppe mit der KI über die zuvor von ihnen genannte Verschwörungstheorie sprach. Dabei hatte die KI die Aufgabe, die Verschwörungstheorie in einer leicht verständlichen Sprache zu widerlegen.
Als Beispiel nennen die Forscher Gespräche über die Verschwörungstheorie zum 11. September, laut der die Terroranschläge von den U.S.A. selbst inszeniert wurden. Die KI hat in diesem Fall damit argumentiert, dass zahlreiche Untersuchungen klare Beweise dafür gefunden haben, dass damals tatsächlich ein realer Terroranschlag erfolgt ist. In den Gesprächen konnten die Probanden der KI Zwischenfragen stellen und weitere Argumente einbringen, die die Verschwörungstheorie stützen. Das LLM hat darauf weitere Antworten erstellt, um auch diese Argumente zu widerlegen.
Die Probanden haben anschließend noch einmal eingeschätzt, wie stark sie an ihre Verschwörungstheorie glauben. Im Mittel konnte die Unterhaltung mit ChatGPT den Glauben um 20 Prozent reduzieren, während es bei der Kontrollgruppe keine Veränderungen gab. Die Unterhaltungen mit der KI über die jeweils von den Teilnehmern ausgewählte Verschwörungstheorie hat zudem dazu geführt, dass diese auch anderen Verschwörungstheorien weniger Glauben schenken.
Die Wissenschaftler haben zudem in weiteren Experimenten untersucht, ob der Glaube an Verschwörungstheorien durch Fakten, die die KI nennt, reduziert wird oder ob auch ein Gespräch auf emotionaler Ebene zu einem ähnlichen Ergebnis führt. Dabei stellten sie fest, dass nur Fakten den Glauben an Verschwörungstheorien reduzieren und Emotionen keinen Einfluss haben.
„Es deutet darauf hin, dass es wirklich Fakten und Beweise sind, die hier einen Unterschied ausmachen. Das Problem ist zudem, dass andere Menschen oftmals nicht mit Verschwörungstheoretikern über ihre Theorien reden wollen.“
Science, doi: 10.1126/science.adq1814