Robert Klatt
Eine Künstliche Intelligenz (KI) kann den Gesichtsausdruck des Menschen interpretieren. Das System soll bei psychotherapeutischen Behandlungen helfen.
Basel (Schweiz). In der Psychotherapie ist die Interpretation von Gesichtsausdrücken der Patienten von großer Bedeutung. Dr. Martin Steppan, Psychologe der Universität Basel, erklärt, hat Paul Ekmann deshalb bereits in den 1970er-Jahren ein standardisiertes Kodierungssystem entwickelt, mit dem Gesichtsausdrücken Emotionen zugeordnet werden können.
„Das System von Ekman ist weit verbreitet und ein Standard in der psychologischen Emotionsforschung.“
Die Analyse der Gesichtsausdrücke auf Bildern oder in Videosequenzen durch Psychotherapeuten ist jedoch komplex. Im klinischen Alltag nutzen viele Psychotherapeuten deshalb andere Methoden, die aber weniger verlässliche Ergebnisse liefern. Forscher der Universität Basel haben deshalb untersucht, ob eine Künstliche Intelligenz (KI) die Gefühle von Menschen während psychotherapeutischen Behandlungen erkennen kann.
„Wir wollten herausfinden, ob KIs die Gefühlslage von Patientinnen und Patienten in Videoaufzeichnungen von Therapiesitzungen zuverlässig bestimmen können.“
Laut der Publikation im Fachmagazin Psychopathology haben die Forscher ein neuronales Netz mit mehr als 30.000 Gesichtsfotos auf die sechs Gefühle Glück, Überraschung, Ärger, Abscheu, Trauer und Angst trainiert. Anschließend haben sie die KI mit Videos von 23 Borderlinepatinenten erprobt.
In dem Experiment konnte die KI die Gefühle anhand der Gesichtsausdrücke so gut identifizieren wie erfahrene Psychotherapeuten. Bei kurzen emotionalen Regungen (Micro Expressions), die nur Millisekunden andauern, etwa einem kurzen Lächeln, konnte die KI die menschlichen Experten sogar übertreffen. Die Studie zeigt somit, dass die KI feine emotionale Nuancen genauer erkennen kann als gut geschulte Psychotherapeuten.
„Es hat uns doch überrascht, dass relativ einfache KI-Systeme so robust Gesichtsausdrücke auf ihre Gefühlsregungen deuten können.“
Laut den Wissenschaftlern könnte die KI in Zukunft bei psychotherapeutischen Behandlungen und in der Wissenschaft helfen. Besonders bei der Analyse existierender Videoaufnahmen aus alten Studien könnte die Technik dabei helfen, emotional bedeutende Abschnitte in Gesprächsaufzeichnungen effizienter zu identifizieren. Überdies könnte die KI die Supervision von Psychotherapeuten verbessern.
„Die therapeutische Arbeit ist aber weiterhin in der erster Linie Beziehungsarbeit und bleibt eine menschliche Domäne.“
Psychopathology, doi: 10.1159/000534811