Robert Klatt
Forscher haben anhand von Vorurteilen über Berufe, Lebensstile und Hobbys die langweiligste Person der Welt identifiziert.
Colchester (England). Wissenschaftler der University of Essex haben einen Datenbearbeiter, der in einer Kleinstadt wohnt, ein religiöses Leben führt und in seiner Freizeit gerne fernsieht als langweiligen Menschen der Welt identifiziert. Die Eigenschaften der fiktiven Person basieren laut ihrer Publikation im Personality and Social Psychology Bulletin auf umfangreichen Untersuchungen über die subjektive Wahrnehmung von als langweilig angesehen Menschen, ihren Berufen, Hobbys und Eigenschaften.
Laut den Forschern um Wijnand Van Tilburg vom Institut für Psychologie wurden für die Studie mehr als 500 Menschen in fünf Einzeluntersuchungen detailliert befragt. Aus ihren Antworten erstellten die Wissenschaftler ein Ranking der vermeintlichen Langweiligkeit einer Person. Als besonders uninteressant nannten die Umfrageteilnehmer Berufs in den Bereichen Steuer- oder Versicherungswesen, Datenanalyse, Buchhaltung, Bankwesen und Reinigung.
Bei der Frage nach langweiligen Lebensstilen und Hobbys nannten die Teilnehmer Schlafen, Religion, Fernsehen, Tiere beobachten und Mathematik am häufigsten. Als besonders interessant gelten hingegen Personen, die sich mit der Wissenschaft, Journalismus, Medizin, darstellende Kunst und Wissensvermittlung beschäftigen. Ein Großteil der Umfrageteilnehmer stammt aus den U.S.A. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass die Klischees sich in Europa deutlich unterscheiden.
Merkmale, die mit langweiligen Menschen assoziiert sind, sind laut der Umfrage Interessenlosigkeit, Humorlosigkeit, Meinungslosigkeit sowie ständiges Nörgeln. Dies führt laut den Autoren dazu, dass Menschen, die den Vorurteilen eines Langweilers entsprechen, im Alltag weniger beliebt sind. Aufgrund dieser Ablehnung haben sie ein deutlich höheres Risiko für psychische Erkrankungen.
„Ironischerweise ist die Beschäftigung mit der Langeweile sehr interessant. Unsere Studien konnten zeigen, wie schwer verrückbar die Vorurteile gegenüber vermeintlich langweiligen Berufen oder Eigenschaften sind und welche Auswirkungen dies auf manche Menschen haben kann“, erklärt Van Tilburg. Es ist zwar möglich, dass sie die Wahrnehmungen eines Menschen ändert, viele Kontaktpersonen nehmen sich dafür bei einem vermeintlich uninteressanten Gegenüber jedoch nicht ausreichend Zeit.
Die Ergebnisse zeigen zudem, dass die Kompetenz von Personen, die als langweilig gelten, oft geringer eingeschätzt wird. „Dieses Ergebnis fand ich besonders interessant. Die Wahrheit ist, dass Leute wie Bankangestellte und Buchhalter sehr fähig sind und Macht in der Gesellschaft haben – vielleicht sollten wir versuchen, sie nicht zu verärgern“, kommentiert Van Tilburg.
Personality and Social Psychology Bulletin, doi: 10.1177/01461672221079104