Robert Klatt
Lebensmittel, die als „vegan“ gekennzeichnet sind, werden von omnivoren Menschen oft gemieden, weil sie eine unterbewusste Abwehrreaktion auslösen.
Los Angeles (U.S.A.). In Deutschland werden vegane Lebensmittel, die laut Umfragedaten auch beim Grillen immer beliebter sind, von den Herstellern oft als „vegan“ gekennzeichnet. Dies soll Konsumenten mit einer entsprechenden Ernährung dabei helfen, leichter rein pflanzliche Lebensmittel beim Einkaufen zu erkennen. Eine Studie der University of Southern California (USC) kam nun zu dem Ergebnis, dass die Vegan“-Labels auf viele Menschen abschreckend wirken.
Laut der Publikation im Journal of Environmental Psychology haben die Wissenschaftler mit 7.341 Probanden Experimente durchgeführt, bei denen sie sich zwischen einem Lebensmittelkorb mit tierischen oder pflanzlichen Lebensmitten entscheiden mussten. Die vegane Alternative war mit unterschiedlichen Labels gekennzeichnet, darunter „vegan“ und „nachhaltig“. Ein Großteil der Studienteilnehmer aß Fleisch und lediglich ein kleiner Anteil (7 %) bestand aus Veganer.
Bei den Experimenten hatten die Kennzeichnung der Lebensmittel einen signifikanten Einfluss auf die Auswahl der Teilnehmer. Wenn der Korb als „vegan“ gekennzeichnet war, entschieden sich lediglich 20 Prozent dafür. Bei der Bezeichnung „pflanzlich“ (27 %), „gesund“ (42 %) und nachhaltig (43 %) wählten deutlich mehr Probanden die veganen Lebensmittel. Am häufigsten wurden die veganen Lebensmittel ausgewählt, wenn sie mit gesund und nachhaltig gekennzeichnet waren (44 %).
Peter von Philipsborn von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) hat gegenüber dem Spiegel erklärt, dass ähnliche Resultate auch in Deutschland zu erwarten wären. Laut ihm könnte ein „Vegan“-Label omnivore Personen abschrecken, was dazu führt, dass diese sich in Restaurants, Kantinen und Supermärkten seltener für die rein pflanzlichen Lebensmittel entscheiden.
Der Forscher aus dem Bereich öffentliche Gesundheit ist überzeugt, dass ein Großteil der Bevölkerung sich der Vorteile einer pflanzlichen Ernährung bewusst ist, aber nicht gänzlich auf tierische Produkte verzichten möchte. Er betont, dass diese Personengruppe ihren Fleischkonsum dennoch reduziert und somit maßgeblich zu einem geringeren Fleischverbrauch beiträgt. Im Jahr 2022 lag der durchschnittliche Fleischkonsum pro Person in Deutschland bei 52 Kilogramm, der niedrigste Wert seit dem Beginn der Datenerfassung im Jahr 1989.
Laut von Philipsborn geht die Ablehnung der veganen Lebensmittel auf eine emotionale Abwehrreaktion zurück. Viele Fleischkonsumenten kennen demnach die negativen Aspekte von tierischen Produkten, entscheiden sich aber trotzdem für sie. Als Beispiel nennt der Wissenschaftler eine Situation, in der ein vegan lebender Mensch in Gegenwart von Fleischessenden eine vegane Wurst isst.
„Dies führt mitunter zu einem unterschwellig schlechten Gewissen, das aktiviert werden kann. Veganerinnen und Veganer thematisieren auch selbst häufig die moralische Dimension, was nicht immer förderlich ist, um den Fleischkonsum zu reduzieren.“
Eine Studie der Otto-Friedrich-Universität Bamberg zeigte zudem, dass Infokampagnen zur Reduzierung des Fleischkonsums oft zu Trotzreaktion führen. Es kommt dadurch zu einer psychologischen Reaktanz, in deren Folge die betroffenen Menschen ihren Fleischkonsum erhöhen, anstatt ihn zu senken.
Journal of Environmental Psychology, doi: 10.1016/j.jenvp.2023.102217