Robert Klatt
Bestimmte Akzenten werden eng mit kriminellen Verhalten verknüpft. Dies kann das Justizsystem beeinflussen und zu einer ungerechten Behandlung von Verdächtigen, Angeklagten und Zeugen führen.
Cambridge (England). Menschen haben noch immer Vorurteile gegenüber Personen mit bestimmten Akzenten. Laut einer Studie der University of Cambridge führt dies in Großbritannien dazu, dass Menschen mit typischen Akzenten der „Arbeiterklasse“, darunter Akzente aus Liverpool, Newcastle, Bradford und London, öfter als kriminell eingestuft werden. Dies kann zu einer ungerechten Behandlung bei der Polizei und im Justizsystem führen.
„Einige Akzente klingen für Zuhörer schuldiger als andere, und das sollte uns alle beunruhigen.“
Laut der Publikation im Fachmagazin Frontiers in Communication zeigt die Studie, dass Vorurteile und Stereotypen gegenüber bestimmten Akzenten unterschiedliche Aspekte des Strafjustizsystems beeinflussen, von der Verhaftung bis zur Verurteilung. Dies betrifft nicht nur Verdächtige und Angeklagte, sondern auch Zeugen, die aufgrund ihrer Sprache als weniger glaubwürdig gelten.
„Unsere Ergebnisse zeigen deutlich den Nachteil, dem Sprecher bestimmter Akzente im Strafjustizsystem ausgesetzt sein können. Stimmen spielen im Strafjustizsystem eine zentrale Rolle, und Polizeibeamte, Anwälte und Geschworene sind alle anfällig dafür, Stimmen basierend auf Stereotypen zu bewerten – ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht. Aktuell denken Zuhörer, dass einige Akzente schuldiger klingen als andere, und das sollte uns beunruhigen.“
Die Studie basiert auf einem Experiment mit 180 Teilnehmern aus ganz Großbritannien, denen Sprachaufnehmen von zehn männlichen Stimmen mit regionalen Akzenten aus Belfast, Birmingham, Bradford, Bristol, Cardiff, Glasgow, Liverpool, London, Newcastle und Standard Southern British English (SSBE) vorgespielt wurden.
Die Probanden sollten die Stimmen anhand der sozialen Merkmale „gebildet“, „intelligent“, „reich“, „aus der Arbeiterklasse“, „freundlich“, „ehrlich“, „liebenswürdig“, „vertrauenswürdig“, „aggressiv“ und „selbstbewusst“ bewerten.
Außerdem haben die Teilnehmer die Stimmen mit zehn moralischen Verhaltensweisen „Eine verlorene Geldbörse dem Besitzer zurückgeben“, „Jemandem beistehen, der belästigt wird“, „Einen romantischen Partner betrügen“, „Einen Verwandten wegen eines kleineren Vergehens der Polizei melden“, „Gefährlich fahren“, „Jemanden körperlich angreifen“, „Ladendiebstahl begehen“, „Jemanden ohne Zustimmung sexuell berühren“ und „Die Schaufensterfront eines Ladens beschädigen“ verknüpft.
Das Experiment zeigt deutlich, dass die Akzente eines Menschen stark beeinflussen, wie andere Personen ihn beurteilen. Menschen mit untypischen Akzenten werden öfter mit kriminellem Verhalten verknüpft. Die Beurteilung schwankt zwischen unterschiedlichen Akzenten jedoch stark.
„Der stärkste Zusammenhang, den wir gefunden haben, bestand zwischen der Wahrnehmung von Klasse oder Status, negativen Eigenschaften wie Aggression und der Einschätzung, wie sich jemand verhalten wird, insbesondere in Bezug auf Kriminalität. Dies ist das erste Mal, dass ein konkreter Zusammenhang zwischen Eigenschaften und Verhalten im Kontext von Akzentbewertungen hergestellt wurde.“
Akzente aus Belfast und Glasgow, also Akzente, die nicht aus England stammen, haben die Probanden am seltensten mit Sexualstraftaten verbunden. Stattdessen wurden diese Akzente mit stark mit ehrenhaftem Verhalten wie „Jemandem beistehen, der belästigt wird“ verknüpft. Am häufigsten wurden die Akzente aus London und Liverpool mit sexuellen Übergriffen verbunden.
„Dieses Ergebnis untergräbt gleichzeitig bestimmte traditionelle Stereotype sowohl über Männer mit höherem Status als auch über Männer der Arbeiterklasse. Das könnte auf sich verändernde Wahrnehmungen darüber hinweisen, welche Art von Mann sexuelle Übergriffe begehen kann.“
In kommenden Studien möchten die Wissenschaftler untersuchen, wie weitere Straftaten mit bestimmten Akzenten verknüpft werden. Dazu möchten sie eine noch größere Auswahl an Stimmen nutzen, um zu verhindern, dass individuelle Stimmen und nicht der jeweilige Akzent das Ergebnis beeinflusst.
Frontiers in Communication, doi: 10.3389/fcomm.2024.1462013