Robert Klatt
Menschen mit epistemischen Lastern glauben häufiger an Verschwörungstheorien. Ein Onlinetest nutzt dies, um zu ermitteln, wie anfällig eine Person für Fehlinformationen über die Covid-19-Pandemie ist.
Hamburg (Deutschland). In Deutschland halten einer Umfrage Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS) über 30 Prozent der Bevölkerung Fehlinformationen über das Coronavirus für wahr. Auch in der Schweiz sind laut einer Studie der Universität Basel Verschwörungstheorien über die Covid-19-Pandemie weitverbreitet. Zu den aus wissenschaftlicher Sicht abstrusen Theorien gehört unter anderem, dass SARS-CoV-2 durch Händetrocknern unschädlich gemacht werden kann und dass der Virus durch Insekten übertragen wird.
Bisher konnte die Forschung aber noch nicht klären, welche Faktoren Personen besonders anfällig für solche Mythen machen. Gemeinsame Merkmale wie die Persönlichkeit, der Bildungsgrad und demografische Daten, die sich bei Menschen mit extremistischen Merkmalen häufig ähneln, treten bei Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, deutlich unterschiedlicher auf. Die Wissenschaft hält deshalb den generellen Umgang mit Informationen für den größten Einflussfaktor dafür, ob eine Person Verschwörungstheorien folgt oder nicht.
Ein Team um Marco Meyer von der Universität Hamburg hat auf Basis dieses Wissens einen Onlinetest entwickelt, der anzeigen soll, wie anfällig eine Person für Verschwörungstheorien ist. Die Grundlage des Tests bilden laut der Publikation im Fachmagazin Episteme sogenannte epistemische Laster.
Wie die Wissenschaftler in einer Publikation im Fachmagazin Review of Philosophy and Psychology erklären handelt es sich dabei um Charaktereigenschaften, die den Erwerb, das Speichern und die Teilung von Wissen hemmen können. Beispiele dafür, die bei Verschwörungstheoretikern vorkommen sind die Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit und das Festhalten an der eigenen Meinung.
„Eine Motivation zu unserer Studie war es, die Rolle epistemischer Laster bei der Bewertung von Informationen generell zu untersuchen. Dazu bietet die Corona-Pandemie eine einzigartige Gelegenheit“, erklärt Meyer. Die Wissenschaftler überprüften ihre These deshalb an 998 Probanden aus den U.S.A, die im ersten Schritt ihre epistemischen Laster selbst einschätzten.
Im Anschluss bewerteten die Forscher anhand einer Beobachtungsstudie die epistemischen Lasterhaftigkeit der Probanden mithilfe einer neuen Skala. Im finalen Schritt der Studie wurden die Probanden dann gezielt zu ihrer Meinung zu Mythen und Fehlinformationen über Covid-19 befragt.
„Wir haben herausgefunden, dass Menschen, die nicht auf Corona-Fehlinformationen hereinfallen, zwei Eigenschaften gemeinsam haben: Sie sind erstens neugierig und zweitens in der Lage, ihre Ansichten zu ändern, wenn sie auf vertrauenswürdige Quellen stoßen, die ihren bisherigen Annahmen widersprechen“, erklärt Meyer.
Unter Berücksichtigung der epistemischen Lastern kann demnach doppelt so genau prognostiziert werden, ob eine Person aufgrund von demografischen Aspekten, der ethnischen Zugehörigkeit, der politischen Identität, dem Bildungsgrad oder der Persönlichkeit an Fehlinformationen über das Coronavirus glaubt.
Die Studie liefert damit starke Hinweise darauf, dass epistemische Laster die Aufnahme von neuem Wissen generell erschweren. „den Erkenntnissen könnte man individuellere Ansprachen und Methoden entwickelt, wie Menschen ihre epistemische Starrheit oder Gleichgültigkeit überwinden können, zum Beispiel durch pädagogische Interventionen“, konstatiert Meyer. Langfristig könnte man so Verschwörungsmythen besser entgegenzuwirken.
Episteme, doi: 10.1017/epi.2021.18
Review of Philosophy and Psychology, doi: 10.1007/s13164-021-00562-5