Robert Klatt
In Deutschland sieht die politische Mitte den Rechtsextremismus noch vor dem Klimawandel, der Covid-19-Pandemie und der sozialen Spaltung als größte Gefahr.
Bonn (Deutschland). Die Friedrich-Ebert-Stiftung e. V. (FES) untersucht im Rahmen der Mitte-Studie seit 2006 alle zwei Jahre die Grundhaltung der Mitte der Gesellschaft in Deutschland. Betrachtet werden unter anderem rechtsextreme und demokratiefeindliche Einstellungen. Laut der nun veröffentlichten aktuellen Studie, die gemeinsam mit Andreas Zick, Gewaltforscher an der Bielefelder Universität, erstellt wurde, sehen die Umfrageteilnehmer derzeit den Rechtsextremismus als größte Bedrohung für die Gesellschaft.
Die Befragten bewerten den Rechtsextremismus demnach als gefährlicher als die Covid-19-Pandemie, den Klimawandel oder die soziale Spaltung. Als Grund dafür sehen die Autoren der Studie die Attentate von Rechtsextremen, die in den letzten Jahren die gesellschaftliche Mitte erschüttert haben.
Laut den Ergebnissen der Umfrage haben sich im Rahmen der Covid-19-Pandemie die Hasstaten deutlich geändert. „Wir haben zu Beginn der Pandemie antiasiatische Vorurteile gesehen. Wir haben die Corona-Proteste gesehen. Wir haben eine Situation gehabt während der Erhebung, dass wir neue Protestbewegungen gesehen haben, die rassistischen Übergriffen gefolgt sind, also Black Lives Matter“, erklärt der Zick.
Fast drei Viertel der Teilnehmer sind laut eigenen Aussagen überzeugte Demokraten. Tatsächlich fanden die Wissenschaftler in den Antworten aber häufig widersprüchliche Aussagen bezüglich demokratischer Fragen. Trotzdem wünscht sich ein Großteil (66 %) der Menschen in Deutschland mehr Einsatz für eine offene und vielfältige Gesellschaft.
Wie die Mitte-Studie zeigt, ist antidemokratischem Populismus in Deutschland relativ weitverbreitet. Rund ein Viertel der Befragten neigt laut ihren Antworten zu Populismus, 13 Prozent sogar zu Rechtspopulismus. „Auch wenn ein Großteil den Rechtsextremismus als Bedrohung erkennt und sich demokratisch positioniert, ist die Mitte dennoch konfrontiert mit einem neuen antidemokratischen Populismus, der sich zum Türöffner für Rechtsextremismus entwickelt hat“, erklären die Wissenschaftler.
Konkret äußern sich solche Einstellungen unter anderem darin, dass jeder Fünfte (20 %) der Ansicht ist, dass die Demokratie statt zu sachgerechten Entscheidungen eher zu faulen Kompromissen führt. Im Vergleich zur letzten FES-Mitte-Studie sind rechtspopulistische Einstellungen in der Bundesrepublik jedoch etwas zurückgegangen.
Laut der Studie steht eine elitenkritische Einstellung bei vielen Menschen in Zusammenhang mit einer Abwertung sozialer Minderheiten. Neben Ausländern trifft dies häufig auf Wohnungslose und Langzeitarbeitslose. Rund ein Viertel (25 %) der Deutschen hat gegenüber Personen, die seit Längerem arbeitslos sind, starke Vorurteile. Menschen ohne Wohnung werten rund zehn Prozent der Umfrageteilnehmer ab.