Robert Klatt
Lithium kann als Stimmungsstabilisator Selbstmorde verhindern. Wissenschaftler wollen das Leichtmetall deshalb ins Trinkwasser mischen.
Brighton (England). Lithium ist in vielen Regionen der Erde in Gesteinen und Mineralien enthalten und gelangt so über den Regen auch ins Grundwasser. Das Leichtmetall ist außerdem in vielen Nahrungsmitteln darunter vor allen Eier, Milchprodukte, Fleisch und Fisch enthalten. Laut einer bereits 2013 im British Medical Journal publizierten Studie ist belegt, dass Lithium als Stimmungsstabilisators eine suizidpräventive Wirkung und als Medikament Selbsttötungen um 87 Prozent reduziert. Eingesetzt wird das Leichtmetall zur Behandlung von bipolaren Störungen und manischen Episoden bereits seit Mitte des letzten Jahrhunderts.
In der Wissenschaft wird schon seit Langem diskutiert, ob diese Wirkung auch durch Lithium im Grundwasser ausgelöst wird. Die Dosis im Trinkwasser ist zwar deutlich geringer als bei zugelassenen Medikamenten, dafür wird das Leichtmetall aber permanent vom Menschen konsumiert. Einige Wissenschaftler vermuten deshalb, dass die dauerhafte Exposition von Geburt an Auswirkungen auf die psychische Konstitution des Menschen haben könnte.
Eine Metastudie der Brighton & Sussex Medical School hat nun belegt, dass in Regionen mit einer hohen Lithiumkonzentration im Trinkwasser weniger Suizide passieren. Laut der im British Journal of Psychiatry erschienenen Forschungsarbeit werteten die Wissenschaftler um Anjum Memon dafür 15 Studien aus, die seit 1948 durchgeführt wurden. Sie konnten so eine Übersicht aus der Konzentration von Lithium im Grundwasser und der Suizidrate in der Bevölkerung erstellen.
Dabei ist anzumerken, dass die Aussagekraft ökologischer Studien in der Regel begrenzt ist. Dies liegt unter anderem daran, dass die Lithiumkonzentration im Trinkwasser nicht permanent gemessen wird und dass die Bevölkerung auch über Nahrungsmittel das Leichtmetall konsumieren. Diese zusätzliche Aufnahme, die sich je nach Region und den dort typischen Lebensmitteln ebenfalls stark unterscheidet, haben die Autoren der Metastudie allerdings nicht berücksichtigt.
Zum Beweis eines kausalen Zusammenhangs wäre deshalb eine randomisierte Studie nötig, bei der in Teilen eines Landes dem Trinkwasser künstlich Lithium beigemischt wird. Es könnte so untersucht werden, ob die Suizidrate tatsächlich durch die höhere Lithiumaufnahme zurückgeht. Ob eine solche Studie, die Memon bereits vorgeschlagen hat, tatsächlich stattfinden wird, ist allerdings sehr unwahrscheinlich.
British Medical Journal, doi: 10.1136/bmj.f3646
British Journal of Psychiatry, doi: 10.1192/bjp.2020.128