Robert Klatt
Die sexuelle Identität des Menschen ist überraschend fluid und unterliegt bei Jugendlichen und Senioren einem nahezu gleichen Wandel.
Lancaster (England). Der Der Begriff sexuelle Identität bezieht sich laut der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) auf lesbische, schwule, bisexuelle, heterosexuelle, aber auch asexuelle oder pansexuelle Personen. Obwohl er oft als Synonym für die sexuelle Orientierung einer Person verwendet wird, macht die sexuelle Identität auch deutlich, dass die Sexualität zum Selbstverständnisses einer Person gehört und nicht bloß die sexuelle Beziehung zu einer anderen Person umfasst.
Eine Studie der Lancaster University liefert nun neue Erkenntnisse über die Fluidität der sexuellen Identität, also das Verschieben und Bestehenbleiben der selbst identifizierten sexuellen Orientierung. Laut der Publikation im Fachmagazin Demography haben die Autoren dazu Daten von 22.673 Personen ab 16 Jahren aus der UK Household Longitudinal Study (UKHLS) aus den Zeiträumen 2011 bis 2013 und 2017 bis 2019 analysiert. 6,6 Prozent der Probanden änderten in diesem Zeitraum ihre gemeldete sexuelle Orientierung.
Wie Professor Yang Hu erklärt, wurde die sexuelle Identität in Großbritannien zuvor kaum untersucht. Die nun publizierte Studie ermöglicht einen umfassenden Einblick.
„Die Idee, dass sexuelle Identität fließend ist, ist nicht neu, aber bisher wissen wir relativ wenig darüber, wie fließend sie in der Bevölkerung ist und wie die Fluidität in verschiedenen demografischen Gruppen variiert.“
Die sexuelle Identität ist besonders fluid bei jungen Menschen im Alter von 16 bis 24 Jahren (7,9 %) und älteren Erwachsenen ab 65 Jahren (7,4 %). Bei Menschen im Alter von 25 bis 64 Jahren ist sie weniger fließend (5,0 - 6,2 %). Die Fluidität der sexuellen Identität ist bei Männern weniger wahrscheinlich (5,7 %) als bei Frauen (6,3 %). Die Fluidität der sexuellen Identität ist bei Individuen nicht-weißer ethnischer Minderheiten dreimal so wahrscheinlich (15,5 %) als bei weißen Menschen (5,0 %).
„Die relativ hohe Mobilitätsrate bei älteren Menschen wird hauptsächlich durch ihre erhöhte Wahrscheinlichkeit angetrieben, eine heterosexuelle Identität anzunehmen und die Unwilligkeit aufzugeben, ihre sexuelle Identität preiszugeben.“
Personen, die eine gleichgeschlechtliche Beziehung eingehen, sind etwa 7-mal (43,3 % gegenüber 5,9 %) wahrscheinlicher, ihre sexuelle Identität zu ändern und zu berichten, dass sie schwul oder lesbisch sind, als diejenigen, die keine solchen Beziehungsänderungen erlebt haben.
Die Fluidität der sexuellen Identität ist wahrscheinlicher bei Personen mit geringerer Bildung. Die Fluidität der sexuellen Identität ist ausgeprägter bei Personen, die sich als bisexuell identifizieren, andere sexuelle Identitäten haben und es vorziehen, ihre Identität nicht preiszugeben, im Vergleich zu denen, die sich als heterosexuell, schwul oder lesbisch identifizieren.
„Es gibt immer mehr soziale Maßnahmen, öffentliche Gesundheits- und Wohlfahrtsprogramme, die darauf abzielen, Gleichberechtigung und Wohlergehen von sexuellen Minderheiten zu unterstützen. Unsere Erkenntnisse zeigen, dass die Bevölkerung der sexuellen Minderheiten nicht statisch ist und dass Identitäten und Partnerschaftspraktiken sich im Laufe des Lebens der Menschen ändern können.“
Demography, doi: 10.1215/00703370-10769825