Robert Klatt
Psychopathen in Führungspositionen erscheinen oft charmant und effektiv, können aber große Schäden anrichten. Eine Studie zeigt nun Merkmale, die sogenannte Unternehmenspsychopathen verraten.
Cambridge (England). Unternehmenspsychopathen werden im geschäftlichen Kontext oft als leistungsstarke Personen wahrgenommen. Ihre Merkmale sind vor allem oberflächlicher Charme, pure Rationalität und eine überdurchschnittliche Intelligenz. Bekannte Unternehmenspsychopathen sind etwa Bernie Madoff, der das weltweit größte Schneeballsystem organisierte und die Menschen um 18 Milliarden Dollar betrog und Robert Maxwell, der 400 Millionen Pfund aus den Pensionsfonds seiner Angestellten veruntreute.
Es wird somit deutlich, dass Unternehmenspsychopathen zwar wie effektive Führungskräfte erscheinen, tatsächlich aber von fehlendem Gewissen, Verantwortungslosigkeit und der Neigung zur persönlichen Bereicherung und zum Betrug geprägt sind. Ihre größte Motivation ist demnach nicht die nachhaltige Führung des Unternehmens, sondern Geld, Macht und Kontrolle.
Dr. Clive Boddy von der Anglia Ruskin University, einer der führenden Wissenschaftler im Bereich der Unternehmenspsychopathie, hat im International Journal of Market Research nun eine Studie publiziert, die sich näher mit den Eigenschaften und den Gefahren von Unternehmenspsychopathen beschäftigt hat. Laut Boddy sind lediglich ein Prozent der erwachsenen Bevölkerung potenzielle Unternehmenspsychopathen. Trotz des geringen Anteils ist ihr Einfluss im Geschäftssektor aber so groß, dass sie Unternehmen tiefgreifend destabilisieren können.
Überdies hat Boddy subtile Merkmale entdeckt, die Mitarbeitern dabei helfen können, zu erkennen, ob der eigene Chef ein Unternehmenspsychopath sein könnte. Ein besonders aussagekräftiger Indikator ist eine deutliche Verhaltensdifferenz gegenüber jüngeren und älteren Kollegen. Gegenüber Vorgesetzten können sie sich engagiert und kompetent präsentieren, gegenüber Untergebenen jedoch übermäßig kritisch und herabwürdigend sein.
Überdies erfreuen sich Unternehmenspsychopathen oft daran, Mitarbeiter in der Öffentlichkeit zu demütigen. Es kann dadurch ein problematisches Arbeitsumfeld entstehen, in dem talentierte Mitarbeiter kündigen und verbleibende Mitarbeiter unter verringertem Selbstbewusstsein und Moral leiden. Weitere Anzeichen, die Unternehmenspsychopathen verraten können, sind eine übermäßige Konzentration auf das Selbstbild, eine Vorliebe dafür, sich mit fremden Federn zu schmücken, und ein Mangel an echtem Mitgefühl oder Reue.
Boddy empfielht, dass vor allem im Finanzsektor, der Unternehmenspsychopathen anzuziehen scheint, Unternehmen und deren Mitarbeiter verstärkt auf Unternehmenspsychopathen achten sollten. Obwohl Individuen mit bestimmten psychopathischen Merkmalen oft in der Unternehmensfinanzwelt aufsteigen, können ihr impulsives und habgieriges Verhalten nicht nur Organisationen, sondern auch ganze Wirtschaftssysteme gefährden.
Praktisch umsetzen lässt sich dies laut dem Psychologen etwa durch eine verbesserte Überprüfung von Referenzen und den Einsatz von psychometrischen Tests. Dieser Ansatz könnte helfen, diese Individuen frühzeitig zu identifizieren und sicherzustellen, dass sie Wirtschaft und Gesellschaft nicht gefährden.
International Journal of Market Research, doi: 10.1177/14707853231173260
