Robert Klatt
Verschwörungstheorien verbreiten sich vor allem in sozialen Netzwerken. Die Radikalisierung verläuft dabei in vier Stufen.
Lille (Frankreich). In den letzten Jahren haben unterschiedlichen Studien sich mit Verschwörungstheorien beschäftigt und etwa entdeckt, dass diese auch Menschen beeinflussen, die nicht an sie glauben und dass Verschwörungsgläubige häufig eine auffällige Kombination aus Charaktereigenschaften und einer persönlichen Motivation besitzen.
Forscher um die Informationswissenschaftlerin Christine Abdalla Mikhaeil von der IESEG School of Management haben nun analysiert, wie sich Verschwörungstheorien in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter verbreiten und wie der Prozess der Radikalisierung abläuft. Laut ihrer Publikation im Information Systems Journal konnten sie dabei vier Stufen identifizieren.
Die Vier Stufen der Radikalisierung in sozialen Netzwerken
„Diese Phasen bilden eine spiralförmige Schleife, die eine gemeinsame konspirative soziale Identität stärkt und eine potenzielle Eskalation bis hin zur Radikalisierung ermöglicht.“
Laut Mikhaeil sind Verschwörungstheorien und soziale Netzwerke komplexe Phantome, die nicht einfach in Schwarz und Weiß eingeteilt werden können. Extreme Beispiele zeigen tief verwurzelte gesellschaftliche Herausforderungen, wie etwa Ausgrenzung, die durch soziale Medien potenziell noch verschärft werden können.
„Wir haben erschreckende Beispiele wie Pizzagate oder den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar, aber wir haben auch großartige Beispiele für Solidarität und Emanzipation im Netz.“
Mikhaeil ist überzeugt, dass soziale Netzwerke in ihrer aktuellen Form nicht generell problematisch sind. Sie erinnerte daran, dass das Internet in den frühen 2010er-Jahren Schauplatz von herausragenden Momenten der Ermächtigung, Solidarität und Befreiung war. Sie verweist dabei auf die Online-Aktionen nach den Flutkatastrophen in Thailand 2011 und den Anschlägen in Mumbai 2008.
„Soziale Medien sind das, was wir aus ihnen machen.“
Information Systems Journal, doi: 10.1111/isj.12427