Dennis L.
Warum reagieren Menschen so unterschiedlich auf den Verlust einer nahestehenden Person und welche vor- und welche nachteiligen Auswirkungen hat der Trauerprozess auf die eigene Persönlichkeit? Forscher sind diesen Fragen nachgegangen und korrigieren mit ihren Forschungsergebnissen einige gängige und weit verbreitete Vorstellungen vom Trauern.
Würzburg (Deutschland). Nach langem Leiden ist der Ehemann an Krebs gestorben, die Tochter hatte einen tödlichen Autounfall oder ein guter Freund hat sich das Leben genommen. In solchen Fällen bricht für die Hinterbliebenen eine Welt zusammen. Doch nach der schockierenden Nachricht über den Tod, müssen die nächsten Angehörigen jedoch erst noch einige Formalitäten klären und Entscheidungen treffen: Wie genau soll der Verstorbene beigesetzt werden? Welche Trauerkarten sind die richtigen und was schreibt man drauf? Trauerkerzen online kaufen oder ein Festpreispaket vom Bestatter wählen? Welche Blumen sollen bei der Beisetzung aufgestellt werden? Erst wenn diese und zahlreiche weitere Fragen geklärt sind, können sich die Hinterbliebenen mit dem Schmerz der Trauer auseinander setzen - ein Prozess, der oft mehrere Jahre dauert.
Psychologen der Universität Würzburg haben nun untersucht, wie es Menschen geht, die einen solchen Schicksalsschlag zu verkraften hatten und wie sie mit dem Verlust umgehen. Wie genau verläuft die Trauer und wie lange dauert es, bis der größte Schmerz überwunden ist? In einer Studie mit über 500 Teilnehmern konnten Seniorprofessor Joachim Wittkowski von der Fakultät für Humanwissenschaften und Dr. Rainer Scheuchenpflug, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Psychologie III, diese Fragen klären und zeitlich mit einige gängige Vorstellungen vom Trauern korrigieren.
Dazu haben sie die Studienteilnehmer Fragebögen ausfüllen lassen, wodurch die Forscher die verschiedenen Aspekte des individuellen Trauerschmerzes und dem Umgang damit messen konnten. „Wir haben uns dabei besonders für den Einfluss der Zeit seit dem Verlust, also für die Dauer des Trauerprozesses interessiert“, erklärt Wittkowski.
Es zeigte sich, dass bei den Personen, deren Verlust etwa ähnlich lang zurückliegt, vor allem in den ersten zweieinhalb Jahren nach dem Todesfall starke Veränderungen auftraten. „Innerhalb des ersten Jahres nehmen Beeinträchtigungen durch unangenehme Gedanken und Gefühle einerseits und das Empfinden der Nähe zu der verstorbenen Person andererseits an Intensität stark zu“, schreibt Wittkowski im Fachjournal für Gesundheitspsychologie. Ganz ähnlich verläuft anschließend auch die Abnahme der Intensität während der nachfolgenden zwölf bis 18 Monate. Die Psychologen fanden zudem heraus, dass Frauen stärker unter den Verlust eines nahestehenden Menschen leiden als es Männer tun.
Die Forscher fanden zudem heraus, dass auf längere Sicht, also über den Zeitraum von drei Jahren hinaus, die Beeinträchtigungen sowie das Empfinden der Nähe zum Verstorbenen kontinuierlich nachlassen. „Interessant ist, dass am Ende der heißen Phase des Trauerns sowohl positive Erlebens- und Verhaltensmöglichkeiten zunehmen als auch die Fähigkeit zu Anteilnahme und Mitgefühl mit anderen Menschen wächst“, erläutert Wittkowski. Diese Entwicklung bleibt auch mehr als zehn Jahre nach dem Verlust erhalten. Jedoch bleiben auch Schuldgefühle langfristig nahezu unverändert auf dem Intensitätsniveau.
Aus Sicht von Wittkowski und Scheuchenpflug berichtigen die aktuellen Forschungsergebnisse einige der in Deutschland gängigen Vorstellungen vom Trauern. „Neben Kummer ist Trauern auch mit persönlichem Wachstum verbunden, das von den Betroffenen rückblickend positiv erlebt wird“, erklärt Wittkowski. So kann die Bewältigung des Verlustes auf lange Sicht zu einer positiven Veränderung des Betroffen führen. „Die Zeit bringt den Schmerz des Trauerns nicht zum Verschwinden, sie vermag ihn aber zu lindern“, so die Autoren.
Die Studie zeigt zudem, dass Trauern ein Prozess ist, der sich sehr lange hinzieht. Die meisten der Studienteilnehmern haben den Verlust nicht einmal nach dem traditionellen Trauerjahr abgeschlossen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich erst im zweiten Jahr nach dem Verlust entscheidet, ob die Beeinträchtigungen abnehmen oder auf hohem Niveau bestehen bleiben, ob also ein normaler Bewältigungsprozess oder ein behandlungsbedürftiges Trauern vorliegt“, schreiben die Forscher abschließend.
Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, doi: 10.1026/0943-8149/a000145